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Solomord

Solomord

Titel: Solomord
Autoren: Sandra Duenschede
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Kontoauszüge, Sparverträge, Kopien von Wertpapierordern. Arm war die alte Frau demzufolge jedenfalls nicht gewesen. Dem letzten Auszug entnahm er, dass sie etwa 250.000 Euro auf der hohen Kante gehabt hatte. Keine kleine Summe. Er blätterte zwischen den einzelnen Belegen herum, aber der Eingang des Geldes war nirgendwo verzeichnet. Es schien, als sei das Geld plötzlich vor gut einem Jahr einfach da gewesen. Von da an waren verschiedene Transaktionen getätigt worden. Geldanlagen, Wertpapierkäufe. Ausgänge oder Abhebungen waren kaum verzeichnet. Außer der Miete und Rechnungen für Strom und Telefon hatte Mia von Seitz so gut wie keine Ausgaben gehabt, was aufgrund ihres Alters jedoch nicht verwunderlich war. Häufig lebten ältere Menschen extrem sparsam. Brandt kannte das von seiner eigenen Mutter, die den größten Teil ihrer Rente auf ein Sparbuch transferierte.
    »Was soll ich denn kaufen?«, antwortete sie immer, wenn er sie nach dem Grund ihrer Sparsamkeit fragte. »Lore und du, ihr könnt das sicherlich mal gut gebrauchen, wenn ich nicht mehr da bin.«
    Er hatte aufgegeben, ihr zu erklären, dass er mit seinem Gehalt gut für sich und seine Tochter sorgen konnte, und verdrehte deshalb bei ihren Erklärungen lediglich wortlos die Augen. Er würde eh nichts an ihrem Verhalten ändern können. Außerdem, wer konnte garantieren, dass er nicht eines Tages ähnlich denken würde? Auch wenn er sich heute schwor, sein Leben selbst im Alter in vollen Zügen zu genießen und nicht jeden Cent für seine Erben zurückzulegen. Vielleicht würde er das in ein paar Jahren anders sehen. Wahrscheinlich hatte es sich bei Wagners Mutter ähnlich verhalten. Jedenfalls befand sich zwischen den Unterlagen eine Verfügung zugunsten des Sohnes, der zufolge ihr gesamtes Vermögen nach ihrem Tod auf diesen übertragen werden sollte. Es wunderte ihn, dass Michael Wagner den Tod der Mutter verheimlicht hatte. Er hätte sich doch ein schönes Leben mit dem Geld machen können. Dass er Angst gehabt hatte, des Mordes an ihr verdächtigt zu werden, schloss er aus. Die Obduktion hatte ergeben, dass Mia von Seitz tatsächlich eines natürlichen Todes gestorben war.
    Was also hatte ihn dazu bewogen, die Leiche seiner Mutter wochenlang in deren Wohnung versteckt zu halten und ihren Tod zu verschweigen? Gut, Michael Wagner war psychisch krank, das durfte er bei seinen Überlegungen nicht vergessen, und deshalb gab es auch keine rationale Erklärung für sein Verhalten, aber dennoch musste es einen Grund gegeben haben, der vielleicht in Zusammenhang mit dem Vermögen seiner Mutter stand. Warum sonst war in den feinsäuberlich abgehefteten Unterlagen kein Hinweis auf die Herkunft des Geldes verzeichnet?
    Er griff zum Telefonhörer und wählte die Nummer der Bank, bei der Mia von Seitz ihre Konten geführt hatte.
    »Das wird aber ein oder zwei Tage dauern, bis wir die Umsätze bekommen«, erwiderte eine junge Dame am anderen Ende der Leitung auf seine Frage nach den Kontobewegungen der letzten drei Jahre.
    »Geht es nicht schneller?«
    »Haben Sie denn überhaupt einen Gerichtsbeschluss?«
    »Ja«, log er.
    Der Gedanke, Bruns um eine Genehmigung zur Einsicht von Mia von Seitz’ Konten zu bitten, bereitete ihm zwar Unbehagen, aber dennoch wusste er, dass der Staatsanwalt den Vorgang befürworten und für einen entsprechenden Beschluss sorgen würde. Die Frage war nur, ob die Kontoauszüge ihnen weiterhelfen würden. Außerdem würde ein weiterer Tag vergehen.
    »Du solltest nach Hause gehen, Hagen.«
    Schirmer stand in der Tür und blickte ihn auffordernd an. Er sah selbst müde aus. Sein blasses Gesicht und die dunklen Augenringe sprachen für reichlich Schlafentzug.
    »Wollte nur noch eben den Bericht hier fertig machen.«
    Sein Vorgesetzter nickte. Er wusste, dass es zwecklos war, Brandt bezüglich seiner Arbeit etwas vorzuschreiben. Und eigentlich war das auch nicht notwendig, denn er war einer seiner besten Leute. Ohne ihn hätten sie manchen Fall sicherlich nicht gelöst. Sein Talent, Zusammenhänge schnell und übergreifend zu erfassen, war beachtlich, und durch seinen unermüdlichen Einsatz war der Kommissar für Schirmers Abteilung beinahe durch nichts und niemanden zu ersetzen. Doch diesmal schien es, als ob auch Brandt an seine Grenzen gestoßen war. Der Selbstmord hatte ihn wie alle hier völlig unvorbereitet getroffen. Die Ausweglosigkeit der Situation stand ihm ins Gesicht geschrieben.
    Nachdem Schirmer das Büro verlassen hatte,
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