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Solomord

Solomord

Titel: Solomord
Autoren: Sandra Duenschede
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dabei raus!«
    Mit dem rechten Auge zwinkerte er ihr zu und das stundenlange Üben vor dem Badezimmerspiegel zeigte Wirkung.
    »Na gut«, entgegnete sie und öffnete die Beifahrertür, »aber Sie dürfen davon nichts meiner Mutter erzählen. Ich darf nämlich eigentlich nicht mit Fremden sprechen.«
    »Großes Indianerehrenwort«, versprach er ihr und hob zum Schwur die Finger seiner rechten Hand.

2
    »Loooore!«
    Kriminalhauptkommissar Hagen Brandt klopfte energisch gegen die seit einer halben Stunde verschlossene Badezimmertür.
    »Mann, immer diese Hektik«, hörte er die genervte Stimme seiner 13-jährigen Tochter aus dem Badezimmer. Wenig später wurde endlich aufgeschlossen und Lore erschien in der Tür. Sie hatte sich kräftig geschminkt.
    »So gehst du mir nicht aus dem Haus!«
    Hagen Brandt starrte seine Tochter fassungslos an. Aus der Tasche seiner Cordhose holte er ein Stofftaschentuch hervor.
    »Abwischen«, befahl er.
    Lore verdrehte die Augen.
    »Mensch, Papa, du bist total spießig!«, nörgelte sie, nahm jedoch das Taschentuch und wischte sich flüchtig damit über den Mund. Der Lippenstift hinterließ grelle rote Spuren auf dem weißen Stoff. Grinsend reichte sie es zurück.
    »Besser?«
    Ein Blick auf seine Armbanduhr machte ihm deutlich, dass ihm keine Zeit für weitere Diskussionen blieb, und so überging er Lores provokative Äußerung, steckte das Taschentuch wieder ein und drängte zum Aufbruch. In diesem Schuljahr hatte sie es immerhin schon geschafft, 14-mal zu spät zum Unterricht zu erscheinen, und er hatte keine Lust, wieder einen Anruf von der Klassenlehrerin Frau Mußmann zu erhalten. Eilig trieb er sie deshalb aus der Wohnung und scheuchte sie erbarmungslos die drei Stockwerke des Altbaus hinunter. Vor der Haustür verabschiedete er sich.
    »Und denk dran«, rief er ihr noch hinterher, als sie bereits die Straße überquerte, »Oma erwartet dich heute Mittag nach der Schule. Ich habe ihr gesagt, dass du nach den Hausaufgaben im Garten hilfst.«
    Seine Tochter reagierte gar nicht auf seine Äußerung und er blickte ihr ratlos nach. Natürlich wusste er, dass er zu einem großen Teil mitverantwortlich für Lores Benehmen war. Er war viel zu nachlässig, wenn es um ihre Erziehung ging. Ließ ihr zu viel durchgehen. Aber es war nun mal nicht so einfach als alleinerziehender Vater mit einem Teenager, und Lore verstand es bestens, ihn um den Finger zu wickeln. Er holte tief Luft und ging in die entgegengesetzte Richtung zur Straßenbahnhaltestelle.

    Im Präsidium erwartete ihn ein Schreibtisch, der unter den Aktenbergen kaum noch als solcher zu identifizieren war. Ein Außenstehender würde Tage brauchen, um sich in dem Chaos aus Papieren, Fotos, Post-its und grauen Aktenordnern zurechtzufinden, aber Hagen Brandt arrangierte sich seit Jahren bestens mit diesem Durcheinander auf seinem Schreibtisch. Selten ging ihm eine Information verloren und seine Kollegen bewunderten ihn insgeheim dafür. Nur sein Vorgesetzter verdrehte regelmäßig die Augen, wenn er das Büro betrat, und hatte schon oftmals gemutmaßt, dass sein Mitarbeiter wahrscheinlich doppelt so effizient arbeiten könnte, wenn ihn diese Unordnung auf seinem Arbeitsplatz nicht daran hindern würde. In der letzten Zeit hatte er jedoch großzügig darüber hinweggesehen. Die aktuellsten Fälle waren außerordentlich schnell von Hagen Brandt und seinem Kollegen gelöst worden und es gab keinen Grund zur Klage. Vielleicht verbarg dieses Chaos ja doch eine Systematik. Nur, weil sich ihm diese nicht erschloss, bedeutete es noch lange nicht, dass es sie nicht gab, dachte er so manches Mal, wenn er Brandts überquellenden Schreibtisch betrachtete, und beließ es deshalb auch an diesem Morgen nur beim üblichen Augenverdrehen, als er das Büro seines Mitarbeiters betrat und diesen hinter monströsen Aktenbergen in irgendwelchen Papieren blättern sah.
    »Guten Morgen, Hagen!«
    Brandt blickte auf und nickte flüchtig zum Gruß. Er wusste nur zu gut, was es bedeutete, wenn sein Vorgesetzter das Büro betrat.
    »Was gibt’s?«, fragte er deshalb wie selbstverständlich.
    »Ein kleines Mädchen ist spurlos verschwunden.«
    »Und?«
    Sein Chef ließ sich seufzend auf einem der unbequemen Holzstühle vor dem Schreibtisch nieder.
    »Sah zunächst danach aus, als sei die Kleine einfach ausgerissen. Aber dann ist plötzlich eine Zeugin aufgetaucht, die gesehen haben will, wie Michelle Roeder zu einem Uniformierten ins Auto gestiegen ist,
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