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Solomord

Solomord

Titel: Solomord
Autoren: Sandra Duenschede
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Lore schon da?«
    »Ja, wir essen gerade. Soll ich sie holen?« Seine Mutter wunderte sich über seinen Anruf. Normalerweise war ihr Sohn immer so stark in seine Arbeit eingebunden, dass er sich eigentlich nie während des Tages meldete. Schon gar nicht, um sich nach Lore zu erkundigen. Sie hatte sowieso den Eindruck, dass Hagen mit der Erziehung der Kleinen immer noch total überfordert war. Es war auch nicht leicht für ihn nach dem Unfall von Margit. Seine Trauer hatte er mit Arbeit erstickt. Tag und Nacht war er im Präsidium gewesen, hatte sich weder um Lore noch um irgendetwas anderes gekümmert. Die Wohnung war völlig verwahrlost gewesen, die Kleine total verstört. Eine Weile hatte sie ihm das durchgehen lassen, hatte geholfen und sich um Lore gekümmert. Als sie jedoch festgestellt hatte, dass er immer tiefer in diese Lethargie verfiel, hatte sie ihm eines Abends gehörig die Leviten gelesen. Dabei war es natürlich zu einem heftigen Streit zwischen ihnen gekommen. Störrisch, wie er nun einmal war, hatte er alles abgestritten und ihr vorgeworfen, sie hätte kein Verständnis für seine Situation. Außerdem hätte sie Margit sowieso nie gemocht, wahrscheinlich sei sie sogar froh, dass sie tot sei, hatte er sie angeschrien. Es hatte sie sehr verletzt und viel Kraft gekostet, über die Äußerungen ihres Sohnes hinwegzusehen. Wenn es nicht auch um Lore gegangen wäre, hätte sie damals vermutlich einfach die Tür hinter sich zugezogen und wäre gegangen. Aber die Kleine brauchte sie. Und mehr als ihre Großmutter brauchte sie jetzt vor allem ihren Vater. Das hatte sie versucht, ihm zu erklären. Er war nicht allein. Lore hatte ihre Mutter verloren und sie hatte Angst, auch noch ihren Vater zu verlieren. Diese Äußerung hatte ihm offenbar die Augen geöffnet. Sie hatten danach zwar nie wieder darüber gesprochen, aber Hagen war kurz darauf mit Lore in eine andere Wohnung gezogen, hatte Margits Sachen endlich weggeräumt und sich mehr um seine Tochter gekümmert. Er war sogar mit ihr gemeinsam auf den Friedhof gegangen, das erste Mal nach der Beerdigung.
    »Dann holst du Lore, wie vereinbart, heute Abend ab?«
    »Ja«, antwortete er knapp und legte auf.

    Er vermutete bereits anhand des Geräuschpegels, den er vor dem Raum vernahm, in dem die Pressekonferenz stattfinden sollte, dass jeder Platz belegt sein würde. Journalisten, Fotografen – sogar mehrere Fernsehteams hatten sich angekündigt. Der Fall erregte verständlicherweise viel Aufsehen. Wieder einmal war ein kleines Mädchen verschwunden. Die Polizei tappte im Dunkeln, und zum Schluss würde man wahrscheinlich nur noch die Leiche des vermissten Kindes finden.
    Er holte tief Luft, bevor er den Raum betrat und zielstrebig auf den Tisch zusteuerte, an dem bereits der Polizeipräsident und sein Vorgesetzter Schirmer saßen. Sein Kollege Teichert folgte ihm.
    Zunächst begrüßte der Präsident die Anwesenden und gab eine kurze Zusammenfassung über den Fall Michelle Roeder. Anschließend übergab er das Wort an Hans Schirmer, der Auskunft über den Stand der Ermittlungen erteilte und um Mithilfe der Bevölkerung bei der Suche nach dem Mädchen bat. Brandt beobachtete derweil die Journalisten. Wie eine Meute Geier saßen sie vor ihnen, machten sich fleißig Notizen, warteten gierig auf den Teil der Konferenz, in welchem sie sich mit ihren Fragen wie die Aasfresser auf die Polizei stürzen und die Ermittlungen auseinanderpflücken konnten. Er sah bereits die morgige Schlagzeile der Zeitungen vor seinem inneren Auge: ›Wieder ein Kind spurlos verschwunden – Polizei unfähig, das Mädchen und dessen Entführer aufzuspüren‹. So oder zumindest so ähnlich würden diese sensationslüsternen Journalisten das Verschwinden von Michelle Roeder publizieren. Dass die Bevölkerung anscheinend wieder einmal weggeschaut hatte, würde selbstverständlich mit keinem Wort erwähnt werden. Es fiel doch schließlich auf, wenn ein Mädchen von einem erwachsenen Mann angesprochen wurde, da konnte man sich doch einschalten, mal nachfragen. Aber kaum jemand zeigte heutzutage noch Zivilcourage, geschweige denn, dass man überhaupt Interesse an seinen Mitmenschen hatte. Durch seine Grübeleien hatte er den Ausführungen seines Vorgesetzten nicht mehr folgen können und erschrak ein wenig, als plötzlich die Hände der Journalisten in die Höhe schnellten.
    »Johann Burger, RP: Gibt es nähere Hinweise auf den Täter, stammt er vielleicht sogar aus dem näheren Umfeld des
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