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Solomord

Solomord

Titel: Solomord
Autoren: Sandra Duenschede
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weitere Hinweise.«
    Er griff nach seinem Handy und wählte die Nummer des Kollegen Marcus Scholz.
    »Brandt hier. Haben deine Leute schon was?«

    Als die große, schlanke Gestalt plötzlich an seinen Tisch trat, fuhr er erschrocken zusammen. Martin Schulz war völlig in seinen Gedanken versunken gewesen, sodass er nicht bemerkt hatte, wie der Mann sich näherte.
    »Haben Sie die Unterlagen dabei?«, fragte er und ließ sich unaufgefordert auf dem freien Platz am Tisch nieder. Michelles Stiefbruder nickte und betrachtete sein Gegenüber. Irgendwie hatte er sich den Anrufer anders vorgestellt, nicht so anständig und normal. Der etwa Anfang 50-jährige Mann wirkte auf ihn sehr seriös. Der dunkle Anzug saß perfekt, vermutlich maßgeschneidert. Die Krawatte passte farblich zum Hemd, an dessen Manschetten goldene Knöpfe für Halt sorgten und die einen dumpfen Ton verursachten, als der Mann seine Hände auf der Tischplatte abstützte.
    »Ist es darin?« Der Mann deutete mit seinem Zeigefinger leicht auf den Umschlag. Martin Schulz nickte. »Haben Sie das Geld?«
    Aus der Innentasche des Anzugs holte sein Gesprächspartner einen weißen Umschlag und schob ihn langsam über den Tisch. Martin blickte sich reflexartig um, doch niemand schien sich für sie zu interessieren. Er nahm das Kuvert und warf einen prüfenden Blick hinein. Der Inhalt stellte ihn zufrieden und er reichte dem anderen den braunen DIN-A4-Umschlag. Bevor er losließ, fragte er: »Woher wussten Sie davon?«
    »Ich kenne Ihren Vater sehr gut.« Der Mann stand auf, ohne den Inhalt überprüft zu haben. »Grüßen Sie ihn von mir«, lächelte er und drehte sich um.

    Die Befragung der Anwohner hatte kaum neue Erkenntnisse gebracht. Viele Bewohner der angrenzenden Häuser hatten zu der fraglichen Zeit gearbeitet oder waren anderweitig unterwegs gewesen. Die Mütter und Kinder auf dem Spielplatz hatten überwiegend die Köpfe geschüttelt, als die Beamten ein Foto von Michelle vorgezeigt hatten. Nur ein paar wenige hatten das Mädchen erkannt, konnten jedoch nichts über ihr Verschwinden sagen.
    Eine ältere Dame wollte gesehen haben, wie Michelle in einen roten Kleinbus eingestiegen war, und eine junge Mutter behauptete, dass Michelle mit einem Mann zu Fuß Richtung Birkenstraße gegangen sei. Die Beamten gingen einigen Hinweisen bereits nach, doch viel versprach man sich nicht davon.
    Brandt blickte auf seine Uhr und erschrak. »Ich muss Lore gleich abholen. Meine Mutter geht doch heute Abend in die Oper.«
    »Ich fahr dich eben.«
    »Ich komm dann später noch mal ins Präsidium. Muss nur Lore abliefern und was zu essen machen.«
    Teichert winkte ab. »Mach ruhig Feierabend. Viel können wir jetzt eh nicht tun. Ich übernehme später noch den Termin in der JVA. Wenn’s was gibt, melde ich mich.«
    »Aber …«
    »Nichts aber«, entgegnete sein Kollege in der gleichen resoluten Art, in der Brandt häufig ihrem Vorgesetzten begegnete.
    Der Junge lernt schnell, dachte er und ließ sich ohne weitere Gegenwehr zur Wohnung seiner Mutter fahren.
    Nachdem Teichert seinen Kollegen abgesetzt hatte, fuhr er zur Justizvollzugsanstalt in der Ulmenstraße.

4
    »Schon wieder Spiegelei«, nörgelte Lore, während sie lustlos auf ihrem Teller herumstocherte. »Wann gibt’s denn mal wieder Nudeln oder so?«
    »Du hattest doch erst heute Mittag bei Oma Lasagne.«
    »Na und?«
    Brandt betrachtete seine Tochter. Immer wieder fragte er sich, wo sie das ganze Essen ließ, das sie den ganzen Tag über in sich hineinstopfte. Sie war spindeldürr, kam ganz nach ihrer Mutter. Die hatte auch essen können, was sie wollte, ohne ein Gramm zuzunehmen. Er hingegen nahm schon zu, wenn er eine deftige Mahlzeit nur aus der Ferne eines Blickes würdigte.
    »Und wie war’s heute in der Schule?«, versuchte er, das Thema zu wechseln.
    »Wie immer.« Lore war, was das betraf, immer sehr wortkarg. Er fragte sich, ob sie wohl eine ebenso stille Schülerin war wie Michelle Roeder.
    »Habt ihr nicht heute einen Mathetest geschrieben?«
    »Mhm.« Sie schob sich ein Stück Brot in den Mund.
    »Und?«
    Lore ging auf seine Frage gar nicht ein. Wie sie so dasaß, still vor sich hinkauend, wirkte sie klein und zerbrechlich.
    »Sag mal, bietet eure Sportlehrerin Frau Lutz eigentlich noch diesen Selbstverteidigungskurs an?«
    Sie blickte ihn argwöhnisch an. »Meinst du wegen des verschwundenen Mädchens?«
    Es hatte sich also schon herumgesprochen, dass Michelle Roeder vermisst wurde. Er
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