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Überman

Überman

Titel: Überman
Autoren: Tommy Jaud
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Keine Kekse mehr
    Noch acht Tage
    Spätestens seit es bei meinem Finanzberater keine leckeren Kekse mehr gab zu den Besprechungen, hätte ich ahnen müssen, dass irgendetwas nicht stimmt.
    Den letzten Keks gab es, als ich mein letztes Finanzprodukt erwarb. Es handelte sich dabei um einen überaus leckeren Keks, denn er hatte Krokantsplitter obendrauf und eine fluffige Marzipanfüllung. Dann scherzten Kosmás Nikifóros Sarantakos und ich über dumme Fußballprofis, die ihr ganzes Geld für teure Autos verballern, und ich zeichnete eine steueroptimierte Beteiligung an einem Fonds, der über die Cayman Islands Flugzeugturbinen an namhafte brasilianische Airlines verleast, sowie gehebelte Discountzertifikate auf Magerschwein, das ist so eine Art verschärfte Wette darauf, dass der Preis für Magerschwein stabil bleibt oder steigt oder zumindest nicht schlimm fällt, und das ist gar nichts Besonderes, weil es das nicht nur für Magerschwein gibt, sondern auch für Baumwolle und fettes Schwein. »Essen werden die Leute immer«, hatte Sarantakos gesagt, und das leuchtete mir ein, weil man mich mit essbaren Argumenten sowieso immer kriegt. Dies hatte offenbar auch mein Finanzberater mit seinem dünnen schwarzen Haar und der schmalen Lederkrawatte schon bemerkt.
    Das Seltsame war: Obwohl ich nie auch nur die geringste Ahnung hatte, warum ich etwas daran verdienen sollte, wenn jemand ein Magerschwein hebelt, so vertraute ich Kosmás Nikifóros Sarantakos doch, schließlich hatte ich seine Visitenkarte nicht von irgendwem, sondern von Phil Konrad, dem einzigen meiner Freunde, der es zu etwas gebracht hatte, also außer Flik vielleicht, Paula und den anderen.
    Am besten gefiel mir an meinem Finanzberater aber, dass er so gerissen war. Wer, wenn nicht Sarantakos, würde auf die Idee kommen, für ein bereits bezahltes Mehrfamilienhaus nachträglich einen Kredit aufzunehmen und Mieteinnahmen und Steuerersparnis in rumänische Waldfonds zu stecken? So etwas konnte nur Sarantakos! Er gab mir das Gefühl der Überlegenheit, er ließ mich lachen über den Börsenbericht in der ARD und die Eurokrise, denn Sarantakos und ich, wir waren ja schlauer als das verschreckte Fußvolk, das sich nach jeder Krisen-Talkshow zitternd winzige Goldbarren aus Flughafenautomaten zog und Schweizer Franken ins Kissen nähte.
    Gut, inzwischen weiß ich es besser, aber hinterher ist man ja bekanntlich immer schlauer. Vorwürfe, ich sei naiv gewesen, würde ich wahnsinnig gerne von mir weisen, denn natürlich hab ich mich vor meinen Investitionen sorgsam umgehört: Keiner hatte Schlechtes zu berichten über Sarantakos (was natürlich in erster Linie damit zu tun hatte, dass ihn keiner kannte außer Phil, aber es hätte ihn ja auch jemand kennen können und dann Schlechtes berichten und dann hätte ich ihm keinen Euro anvertraut).
    Auch im Netz hab ich mich schlaugemacht und erfahren, dass Sarantakos leidenschaftlicher Radrennfahrer ist (Platz  589 bei der Teutoburger-Wald-Rundfahrt), dreifacher Familienvater (jeweils ohne Sorgerecht) und 211  Freunde bei Facebook hat, darunter auch den ehemaligen Bundesliga-Star und RTL -Dschungel-Kandidat Ailton. Wie Sarantakos mir einmal persönlich verriet, betreute er darüber hinaus das Vermögen von unzähligen Promis aus Politik, Sport und Film. Er tat dies überaus professionell und diskret, denn ich habe in seinem Büro nie einen Promi zu Gesicht bekommen.
    Und dann kam heute Vormittag der Moment, an dem mir Sarantakos in nahezu arglistiger Beiläufigkeit offenbarte, dass mein Plan nicht wirklich aufgegangen sei.
    »Warum denn plötzlich ›mein Plan‹?«, hab ich Sarantakos gefragt, wo er doch sonst immer Formulierungen benutzt hatte wie »Das machen WIR so, mein lieber Herr Peters« oder »Da fahren WIR auf jeden Fall in den grünen Bereich«, aber plötzlich saß da ein ganz anderer Mann vor mir als der Sarantakos, den ich zu kennen glaubte, und der sagte plötzlich Sätze ohne das Wort »wir«, Sätze wie: »Wenn die Märkte runtergehen, können die Leute nicht zaubern«, oder: »Man kann der Wirtschaft nicht in den Kopf gucken.«
    Ob er damit nun eine Taverne meinte oder die Wirtschaft insgesamt, hätte ich früher bestimmt gefragt, doch meine Scherze hatten sich bereits irgendwo zwischen Magerschwein und Mischwald verheddert. Es wäre ohnehin keine Zeit mehr gewesen zum Scherzen, denn Sarantakos’ nächster Termin stand bereits an, sicherlich ein Promi, und dann wünschte mir Sarantakos noch alles Gute
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