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Solomord

Solomord

Titel: Solomord
Autoren: Sandra Duenschede
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hinunterschluckte.
    Der Durst war beinahe unerträglich. Das Schlucken wurde von Mal zu Mal schmerzhafter, da die Menge der Körperflüssigkeit in ihrem Mund immer geringer wurde. Es war bereits Stunden her, dass sie das letzte Mal aufgestanden und auf wackeligen Beinen zum Tisch hinübergewankt war. Aber der allerletzte Tropfen Cola aus der großen leeren Plastikflasche hatte ihren Durst nicht verringern können – im Gegenteil, ihre Gier nach irgendeiner Flüssigkeit war nur noch größer geworden. Ihre Gedanken kreisten nur noch um dieses eine zentrale Thema: Durst. Vergessen waren der Mann, die Flucht, Yvonne. In ihrem Kopf drehte sich alles nur um die Frage, wie sie an etwas zu trinken gelangen konnte.
    Zuerst hatte sie versucht, die Menge an Speichel durch Daumenlutschen zu erhöhen. Doch das hatte nur anfänglich einen Erfolg nach sich gezogen. Je intensiver sie an ihrem Daumen gelutscht hatte, umso geringer war die Speichelproduktion geworden. Der Körper verfügte anscheinend über eine Art Schutzmechanismus und versorgte vorrangig die Zellen der lebensnotwendigen Organe, wie Herz und Lunge, mit den letzten Wasserreserven.
    Dann war ihr Blick auf den Eimer mit ihren Exkrementen gefallen.
    Langsam war sie auf den stinkenden Behälter zugeschritten, hatte tapfer einen Fuß vor den anderen gesetzt. Vor dem roten Kübel war sie zögernd in die Knie gegangen, hatte die Luft angehalten und ihren Kopf gesenkt. Doch der abscheuliche Anblick des bräunlichen Inhalts hatte ihren Magen zusammenkrampfen lassen und Würgereize in ihr ausgelöst. Angewidert hatte sie sich zur Seite gedreht und war auf allen vieren zurück zur Matratze gekrochen.
    Dort lag sie nun auf dem Rücken, den Blick starr zur Decke gewandt. Sie spürte, wie ihr Herz immer langsamer schlug, der Atem flacher wurde. Sie konnte geradezu fühlen, wie Stück für Stück die Kräfte aus ihrem Körper entwichen. Und je schwächer sie wurde, je weniger sie diesem fortschreitenden und scheinbar unaufhaltsamen Prozess entgegenzusetzen hatte, umso deutlicher wurde das Bild vor ihren Augen. Über ihr, an der durch die Dämmplatten gut isolierten Decke, bildete sich immer deutlicher ein dunkler, feuchter Fleck, an dessen Oberfläche sich bereits die ersten kleinen Tropfen abzeichneten. Stetig schwollen die durchsichtigen, kugelförmigen Körper an, bis ihr Gewicht so schwer war, dass sie der Erdanziehungskraft nicht mehr trotzen konnten und auf Marie niederfielen.
    Das Mädchen mobilisierte noch einmal sämtliche Kräfte, sprang auf, platzierte sich exakt unter dem feuchten Fleck und streckte erwartungsvoll seine Zunge aus.

    Es war ein eigenartiges Gefühl, die Wohnung eines Toten zu betreten und in dessen Sachen herumzuwühlen. Brandt hatte das zwar schon häufig getan, aber diesmal war es irgendwie anders.
    Vielleicht lag es daran, dass er sein Nachbar gewesen war. Oder aber die erst wenige Stunden zurückliegende Begegnung mit dem Verstorbenen beeinflusste seine Gefühle. Wahrscheinlich aber waren es noch weitere Faktoren, die ihn Ähnliches verspüren ließen wie damals, als er das erste Mal nach dem Unfall wieder die gemeinsame Wohnung betreten hatte. Der Schritt über die Schwelle war ihm schwergefallen. Das Vertraute war ihm plötzlich fremd erschienen, und doch war da etwas gewesen, das ihn mit der Wohnung und den Möbeln und Sachen darin so stark verbunden hatte, dass ihm diese neue Fremdheit bedrohlich erschienen war. Ähnlich ging es ihm beim Betreten von Wagners vier Wänden.
    Während sich Teichert das Schlafzimmer vornahm, begann er, im Wohnzimmer nach irgendwelchen Hinweisen zu suchen. Doch die Kollegen der Spurensicherung hatten ganze Arbeit geleistet. Auch nach stundenlangem, gründlichem Suchen hatten sie absolut nichts gefunden, was ihnen auch nur ansatzweise eine Idee verlieh, wo Marie versteckt sein konnte.
    »Das gibt’s doch gar nicht«, sein Kollege ließ sich erschöpft auf das Sofa fallen. »Wo hat denn der seine privaten Sachen aufgehoben? Kontoauszüge, Verträge, Rechnungen? Jeder bekommt doch heutzutage eine Menge persönliche Schreiben.«
    Brandt zuckte mit den Schultern. Auch er war nicht fündig geworden. In dem altmodischen Schrank waren neben Gläsern und Geschirr nur noch Tischdecken und Kerzenleuchter zu finden gewesen. Und auch zwischen den zahlreichen Büchern – immerhin hatte Wagner, wie es aussah, viel gelesen – hatte er keine versteckten Zettel oder sonstigen Hinweise gefunden.
    »Wahrscheinlich hat er alles in
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