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Riskante Nächte

Riskante Nächte

Titel: Riskante Nächte
Autoren: Amanda Quick
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Prolog
In den letzten Jahren der Regentschaft
von Königin Viktoria …
    Sie wagte nicht, eine der Lampen heller zu drehen, aus Furcht, ein Passant könnte das Licht bemerken und sich später daran erinnern, wenn die Polizei kam und Fragen stellte. Draußen in der Straße wurde der Nebel immer dichter, doch noch immer fiel genügend Mondlicht durch das Fenster, um die kleine Stube zu erhellen. Obgleich sie auf das kalte, silberne Licht nicht angewiesen war. Sie kannte die gemütlichen Räume über dem Laden in- und auswendig. Seit fast zwei Jahren war die kleine Wohnung ihr Zuhause.
    Sie kauerte sich vor die schwere Truhe in der Ecke und mühte sich, den Schlüssel ins Schloss zu stecken. Ihre Hände zitterten schrecklich. Sie zwang sich, tief durchzuatmen, in dem fruchtlosen Versuch, ihr rasendes Herz zu beruhigen. Nach drei unbeholfenen Versuchen gelang es ihr endlich, die Truhe zu öffnen. Das Quietschen der Scharniere hallte in der Totenstille wie leises Schreien.
    Sie griff in die Truhe, holte die beiden ledergebundenen Bände heraus, die sie darin aufbewahrt hatte, und trug sie zu dem kleinen Koffer auf der anderen Seite des Zimmers. Unten im Laden standen Dutzende Bücher, von denen etliche gutes Geld einbrächten, doch diese beiden Bände waren wertvoller als sie alle zusammen.
    Sie musste sich bei der Zahl der Bücher, die sie mitnahm, beschränken. Bücher wogen schwer. Doch selbst wenn sie noch weitere hätte tragen können, wäre es unklug gewesen, sie mitzunehmen. Es würde nur Verdacht erregen, wenn eine größere Anzahl wertvoller Bände aus den Regalen fehlte.
    Aus dem gleichen Grund hatte sie auch nur das Allernötigste an Kleidung eingepackt. Die Polizei sollte nicht darüber stutzen, dass eine angebliche Selbstmörderin ihre gesamte Garderobe mit ins Wasser genommen hatte.
    Sie klappte den Koffer zu. Gott sei Dank hatte sie die beiden Bände nicht verkauft. Während der letzten zwei Jahre hatte es durchaus Zeiten gegeben, in denen sie das Geld gut hätte gebrauchen können. Doch sie hatte es nicht über sich gebracht, sich von den Büchern zu trennen, die ihrem Vater so lieb gewesen waren. Sie waren das Einzige, was ihr geblieben war, nicht nur vom Vater, sondern auch von der vier Jahre zuvor verstorbenen Mutter.
    Ihr Vater hatte den Verlust seiner geliebten Frau nie überwunden. Da hatte es niemanden übermäßig überrascht, als er sich nach einem katastrophalen finanziellen Debakel eine Pistole an den Kopf gesetzt hatte. Die Gläubiger hatten das behagliche Haus sowie den größten Teil des Mobiliars genommen. Glücklicherweise hatten sie die gut sortierte Bibliothek für wertlos erachtet.
    Angesichts der Möglichkeiten, die einer Frau in ihrer Situation offenstanden – nämlich entweder ein erbärmliches Leben als bezahlte Gesellschafterin oder als Gouvernante zu führen –, hatte sie sich der Bücher bedient und etwas Unerhörtes getan: Sie hatte ein Geschäft eröffnet.
    In den Augen der feinen Gesellschaft hatte sie damit von einem Moment zum anderen aufgehört zu existieren. Nicht, dass sie je Umgang mit den Angehörigen jener Welt gepflegt hätte. Die Barclay-Familie hatte sich nie in den gehobenen Kreisen bewegt.
    Ihre vom Vater abgeschauten Kenntnisse auf dem Gebiet der antiquarischen Bücher und bibliophilen Sammler hatten es ihr erlaubt, bereits nach wenigen Monaten im Geschäft einen bescheidenen Profit zu machen. In den zwei Jahren, die sie den Laden jetzt besaß, hatte sie ein kleines, doch erfolgreiches Antiquariat etablieren können.
    Ihr neues Leben mit den schlichten Kleidern, der täglichen Buchhaltung und der umfangreichen Geschäftskorrespondenz war nicht zu vergleichen mit der sorglosen, vornehmen Welt, in der sie aufgewachsen war. Doch hatte sie alsbald festgestellt, welch tiefe Befriedigung sie daraus zog, ihr eigenes Geschäft zu besitzen und zu führen. Es hatte schon gewisse Vorzüge, selbstbestimmt über die eigenen Finanzen zu verfügen. Außerdem war sie als Ladenbesitzerin endlich von vielen der erstickenden Regeln und Konventionen befreit, die die Gesellschaft alleinstehenden Ladys aus gutem Hause auferlegte. Es ließ sich nicht leugnen, dass sie gesellschaftlich abgestiegen war, doch die Erfahrung hatte es ihr erlaubt, ihr Schicksal in einer Weise in die eigene Hand zu nehmen, die ihr zuvor verwehrt gewesen war.
    Vor knapp einer Stunde nun aber war der Traum von der glücklichen, unabhängigen Zukunft zerstört und sie mitten in einen Albtraum geschleudert
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