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Skelett

Titel: Skelett
Autoren: Colin Forbes
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Prolog
    Hätte Tweed sich nicht gelangweilt - was bei ihm nur selten vorkam -, wäre er wohl nie in den spektakulären Volkanian-Fall mit all seinen entsetzlichen Geschehnissen verwickelt worden.
    Tweed saß in seinem Büro im ersten Stock der Park Crescent hinter dem Schreibtisch und malte Strichmännchen auf einen Block. Der stellvertretende Direktor des SIS war ein eher unauffälliger Mann, dessen Alter man nur schwer schätzen konnte. Er trug eine Hornbrille und war von kräftiger Statur. Zudem hatte er einen durchdringenden Blick und verfügte über schnelle Reflexe.
    Neben Tweed lehnte Marler, ein wichtiger Mitarbeiter seines Teams, mit dem Rücken an der Wand und schaute durch die hohen Fenster hinaus auf den nahen Regent’s Park, während Paula Grey von ihrem Schreibtisch aus ihren Chef beobachtete. Wenn wir nicht bald einen neuen Fall zu lösen haben, wird er sich noch zu Tode langweilen, dachte sie. In diesem Moment klopfte es an der Tür.
    »Herein«, rief Tweed und drehte den Block schnell um.
    In der Tür stand sein alter Freund Chief Superintendent Roy Buchanan. Er lächelte Paula freundlich zu, bedachte Marler mit einem knappen Nicken und blieb vor Tweeds Schreibtisch stehen. Der Scotland-Yard-Beamte war ein hoch gewachsener, hagerer Mann um die vierzig mit dunklen Haaren und einem exakt gestutzten Schnurrbart. Er trug einen korrekten blauen Anzug und strahlte geballte Energie aus.
    »Schön, Sie zu sehen. Setzen Sie sich doch, Roy«, forderte Tweed ihn auf.
    »Keine Zeit. Mir ist nur vorhin in der Victoria Street Ihr Kollege Bob Newman über den Weg gelaufen, und der hat mir gesagt, dass Sie momentan nichts zu tun hätten. Da habe ich mir gedacht, ich schaue kurz auf einen Sprung bei Ihnen vorbei. Erinnern Sie sich, dass Sie mir noch einen Gefallen schuldig sind, Tweed?«
    »Schießen Sie los.«
    »Ich habe da ein ziemlich merkwürdiges Problem am Hals, für das Sie genau der richtige Mann sind. Sie haben vielleicht schon gehört, dass ich kommissarisch die Leitung der Antiterror-Einheit übernommen habe. Habe alle Hände voll damit zu tun. Stellen Sie sich vor, ich muss da …«
    »Was genau ist Ihr Problem?«, fiel Tweed ihm ins Wort.
    »Mir ist in Whitehall ein seltsamer Kerl aufgefallen, der dort auf der Treppe saß und immer wieder denselben Satz vor sich hin gemurmelt hat: ›Ich habe Mord gesehen, ich habe Mord gesehen.‹ Mehr war aus ihm nicht herauszubekommen, offenbar hat er das Gedächtnis verloren. Ich habe ihn zur Vernehmung mit in den Yard genommen, aber das war ein Fehler, dort hat er dann nämlich völlig zugemacht und kein einziges Wort mehr gesagt. Inzwischen ist er bei Bella Ashton, der renommierten Psychiaterin. Sie soll ihn untersuchen und …«
    »Roy, worauf wollen Sie hinaus?«, unterbrach ihn Tweed abermals.
    »Ich will, dass Sie sich diesen Mann - er heißt Michael - einmal ansehen. Vielleicht bekommen ja Sie etwas aus ihm heraus.«
    »Sie haben wohl vergessen, dass ich stellvertretender Direktor des SIS bin, Roy«, protestierte Tweed.
    »Nein, das habe ich nicht. Aber in den letzten Jahren haben Sie doch schon so einige spektakuläre Kriminalfälle gelöst, die eigentlich nicht in Ihr Aufgabengebiet gefallen sind. In einen war sogar der amerikanische Vizepräsident verwickelt. Sie haben bewiesen, Tweed, dass Sie Ihren Biss noch nicht verloren haben. Immerhin galten Sie früher bei Scotland Yard als einer der besten Ermittler, die wir je hatten.«
    »Er war der Beste«, mischte sich jetzt Paula ein. »Wenn es ums Aufklären mysteriöser Morde geht, macht ihm keiner was vor.«
    »Paula, Sie wissen, wie sehr ich Ihre mannigfaltigen Talente schätze …«, knurrte Tweed. »Die Fähigkeit, im richtigen Moment zu schweigen, gehört leider nicht dazu.«
    »Dann ist es also abgemacht«, fuhr Buchanan unbeirrt fort. »Sie nehmen diesen Michael unter die Lupe und sehen zu, was Sie aus ihm herausbekommen.« Er holte einen Briefumschlag aus der Manteltasche und legte ihn vor Tweed auf den Schreibtisch. »Das ist alles, was Sie brauchen.«
    »Woher wissen Sie eigentlich, dass der Mann Michael heißt, wenn er außer diesem einen Satz, den Sie erwähnt haben, nichts gesagt hat?«
    »Wahrscheinlich heißt er ganz anders, aber irgendeinen Namen mussten wir ihm ja schließlich geben. Für mich sieht er nun mal wie ein Michael aus. Er hatte übrigens nichts bei sich, womit man ihn hätte identifizieren können. Keine Brieftasche, keinen Ausweis, nichts. Sogar die Etiketten wurden aus seiner
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