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Skelett

Titel: Skelett
Autoren: Colin Forbes
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er nach London kam. Er hatte eine Beule an der rechten Kopfseite, die wahrscheinlich von einem Schlag mit einem stumpfen Gegenstand herrührte. Dieser Schlag war meines Erachtens der Auslöser seiner Amnesie.«
    »Hat er denn bisher überhaupt nichts gesagt?«
    »Nein, nichts, kein einziges Wort. Aber er kann sich anziehen und ohne Hilfe zu Bett gehen. Außerdem kann er allein essen und - entschuldigen Sie bitte meine Direktheit - auch ohne Hilfe auf die Toilette gehen.« Bei diesen Worten warf er Paula einen anzüglichen Blick zu. »Wollen Sie ihn sehen?«
    »Ja, und zwar sofort.«
    »Dann sollte ich Sie lieber warnen …«
    Paula und Tweed sahen sich an. Auch Bella hatte etwas Ähnliches zu ihnen gesagt, als sie gegangen waren, und Buchanan zuvor ebenfalls. Was war dieser Michael nur für ein sonderbarer Mensch?
     
    Saxon öffnete eine Tür am anderen Ende des Raumes und deutete auf eine große, schlanke Gestalt, die in einem Nebenzimmer am Fenster stand. Es war ein Mann um die dreißig, der seinen schmalen, länglichen Kopf steif wie ein Kranich in die Luft reckte. Paula war entsetzt über seine blutleere Blässe und die Art, wie seine wässrigen Augen ins Leere starrten.
    Michael trug eine teure graue Anzugjacke und eine Hose in derselben Farbe mit exakter Bügelfalte. Auch Hemd und Krawatte waren grau. Paula warf, einer alten Gewohnheit folgend, einen prüfenden Blick auf die Hände des Mannes. Sie waren feingliedrig und wohlgeformt.
    Michaels dunkles, fülliges Haar sah so aus, als wäre es erst kürzlich geschnitten worden. Wahrscheinlich hatte Saxon einen Friseur kommen lassen. Vielleicht war er ja doch nicht der Unhold, für den sie ihn hielt. Der Psychiater ergriff Michaels Arm, führte ihn zu dem Behandlungsstuhl und drehte ihn so, dass er Tweed und Paula sehen konnte.
    Michael marschierte so steif wie ein Soldat bei einer Parade zu dem Stuhl, setzte sich darauf und starrte durch Paula hindurch, ohne sie oder Tweed zu registrieren. Irgendwie kam er Paula wie ein Roboter vor.
    Saxon deutete auf seinen Patienten. »Das wäre also Michael.«
    Tweed nahm Saxon beiseite und fragte ihn leise: »Sagen Sie mal, wer zahlt eigentlich seinen Aufenthalt hier? Er ist doch jetzt schon seit neun Wochen hier.«
    »Das weiß ich nicht«, antwortete Saxon und sah Tweed mit zusammengepressten Lippen an. »Kurz nachdem Mrs Ashton ihn mir geschickt hat, rief mich jemand an und fragte, wie viel ich pro Woche für seine Unterbringung verlangen würde. Ich habe dem Anrufer meinen Preis genannt, und er hat mir das Geld per Kurier zugeschickt. Seitdem liefert jede Woche ein Bote einen dicken Umschlag bei mir ab.«
    »Für welche Firma arbeitet der Bote?«
    »Keine Ahnung. Aber es ist immer ein Motorradkurier. Und jedes Mal ein anderer.«
    »War die Person, die Sie angerufen hat, ein Mann oder eine Frau?«
    »Auch das kann ich Ihnen nicht sagen. Es klang so, als ob sich die Person beim Sprechen ein Tuch vor den Mund gehalten hätte.« Dabei schaute er Paula an, die jetzt neben ihnen stand. »Wir können übrigens ganz offen sprechen. Michael versteht kein Wort von dem, was er hört.«
    »Mag sein«, sagte Tweed. »Aber verlassen möchte ich mich nicht darauf. So, und jetzt verlassen wir Sie wieder, Dr. Saxon.« Mit diesen Worten schlüpfte Tweed in seinen Mantel, den er zuvor über eine Stuhllehne gehängt hatte. Michael stieg von seinem Behandlungsstuhl und marschierte steifbeinig zurück in sein Zimmer.
    »Wenigstens laufen kann er«, meinte Paula.
    Gleich darauf kam Michael wieder aus dem Zimmer heraus. Er hatte sich einen grauen Mantel mit einem Kragen aus Pelzimitat angezogen und steuerte auf die Tür zu, die nach draußen führte. Tweed warf Paula einen fragenden Blick zu.
    »Er will mit uns kommen.«
    »Nein!«, dröhnte Saxon. »Das kommt nicht infrage. Sie können ihn nicht mitnehmen. Haben Sie verstanden?«
    »Das lässt sich ja wohl schwer vermeiden, wenn Sie herumbrüllen wie ein wild gewordener Elefant.«
    Tweed überlegte fieberhaft, während der Psychiater mit drohend geballter Faust auf ihn zukam.
    »Dazu haben Sie kein Recht!«, schäumte Saxon. »Der Mann befindet sich in meiner Obhut.«
    »Dann haben Sie sicher eine Vollmacht von einem nahen Verwandten?«, sagte Tweed. »Oder eine behördliche Zwangseinweisung?«
    »So was brauche ich nicht.«
    »Daraus schließe ich, dass Sie keine solche Vollmacht haben. Und leider scheinen Sie auch nicht allzu viel Ahnung von der Gesetzeslage zu besitzen. Michael ist auf
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