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Angelique und der Koenig

Angelique und der Koenig

Titel: Angelique und der Koenig
Autoren: Anne Golon
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Erster Teil
    Der Hof
    Erstes Kapitel

    Angélique fand keinen Schlaf, der Gedanke an die frohen Aussichten ließ sie nicht los, und sie kam sich vor wie ein kleines Mädchen am Abend vor dem Weihnachtstag. Zum zweiten Mal richtete sie sich auf und schlug Feuer, um die Kerze anzuzünden und die beiden neben ihrem Bett auf Sesseln ausgebreiteten Kleider zu betrachten, die sie morgen für die Jagd des Königs und den darauffolgenden Ball anziehen wollte.
    Sie war recht zufrieden mit ihrem Jagdkostüm. Sie hatte den Schneider angewiesen, der Jacke aus perlgrauem Samt einen männlichen Schnitt zu geben, der reizvoll mit ihren zarten Formen kontrastieren würde. Den breitrandigen weißen Filzhut zierten lange, schneeige Straußenfedern. Am besten jedoch gefiel Angélique die Halsbinde, eine neue modische Errungenschaft, durch die sie Aufsehen zu erregen und die Neugier der Damen des Hofs zu reizen hoffte.
    Es war eine große Schleife aus gestärktem, zierlich mit winzigen Perlen besticktem Leinen, das mehrmals um den Hals geschlungen und dann schmetterlingsartig verknüpft wurde. Gestern erst war sie auf diesen Gedanken gekommen. Lange hatte sie vor ihrem Spiegel gezögert, mindestens zehn der schönsten Binden ausprobiert, die der Krämer der »Goldenen Truhe« ihr geschickt hatte, und war schließlich darauf verfallen, das Band »auf Reiterart« zu knüpfen, jedoch breiter als das der Männer. Sie fand, der steife Kragen der Reitjacke passe schlecht zum Gesicht der Frau. Erst dieser wolkige weiße Tupfen unter dem Kinn gab dem Kostüm das gebührende weibliche Gepräge.
    Angélique streckte sich wieder aus und versuchte einzuschlafen. Sie dachte daran zu läuten, um sich einen Eisenkrauttee bringen zu lassen. Ein paar Stunden wenigstens musste sie schlafen, denn der morgige Tag versprach anstrengend zu werden. Gegen Mittag würde man sich im Wald von Fausse-Repose zur Jagd treffen. Angélique musste wie alle Geladenen des Königs, die von Paris kamen, am frühen Morgen aufbrechen, um sich zur festgesetzten Zeit mit den aus Versailles kommenden Equipagen am Ochsenkreuz zu treffen. An diesem in der Mitte des Waldes gelegenen Ort befanden sich Stallungen, zu denen die Privilegierten ihre Reitpferde vorausschickten. Auf diese Weise waren die Tiere ausgeruht, wenn die Jagd begann. Auch Angélique hatte ihre kostbare Stute Ceres, einen spanischen Vollblüter, für den sie tausend Pistolen bezahlt hatte, von zwei Lakaien dorthin bringen lassen.
    Abermals richtete sie sich auf und machte Licht. Wirklich, das Ballkleid war ungemein gelungen. Aus feuerrotem Atlas mit einem »aurorafarbenen« Mantel und einem mit zarten, perlmuttglänzenden Blumen bestickten Brusteinsatz. Als Schmuck hatte sie rosa Perlen gewählt. In Traubenform als Ohrgehänge, in dreifachen Ketten für Hals und Schultern, zu einem halbmondförmigen Diadem gefasst für das Haar. Sie hatte sie bei einem Juwelier erworben, für den sie eine Vorliebe empfand, weil er ihr von den warmen Meeren erzählte, aus denen diese Perlen kamen, den langen Transaktionen, den schwierigen Expertisen und den weiten Reisen, die sie zurücklegten, in seidenen Säckchen verborgen, die durch die Hände arabischer, griechischer oder venezianischer Händler gingen. Jener Geschäftsmann verfünffachte ihren Wert kraft der ihm eigenen Kunst, jeder Perle die Gloriole der Einmaligkeit zu verleihen und den Eindruck zu erwecken, als sei sie aus dem Garten der Götter geraubt worden. Obwohl sie ein Vermögen ausgegeben hatte, um in ihren Besitz zu gelangen, verspürte Angélique keineswegs jene Gewissensbisse, die allzu unüberlegte Erwerbungen erzeugen. Beglückt betrachtete sie diesen Schatz, der in seinem Kästchen aus weißem Samt auf dem Nachttisch lag.
    Es gelüstete sie nach allen köstlichen und wertvollen Dingen, die das Leben zu bieten hatte. Dieser Hunger nach Besitz war die Reaktion auf die Jahre des Elends, die sie durchgemacht hatte. Wunderbarerweise war es nicht zu spät für sie. Noch konnte sie sich mit dem schönsten Geschmeide schmücken, konnte sie die prächtigsten Kleider tragen, sich mit Möbeln, Wandteppichen, Nippsachen umgeben, die von den Händen angesehener Handwerker hergestellt worden waren. Sie staunte zuweilen und dankte insgeheim dem Himmel, dass sie nicht für immer gebrochen aus ihren Prüfungen hervorgegangen war. Im Gegenteil, ihr Geist blieb jugendlich und ihre Begeisterungsfähigkeit ungemindert. Sie besaß mehr Erfahrung als die Mehrzahl der jungen Frauen
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