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Schweig um dein Leben

Schweig um dein Leben

Titel: Schweig um dein Leben
Autoren: Lois Duncan
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Norwood mitgebracht hatten, und lag jetzt in meiner Kommodenschublade.
    Er drehte sich überrascht um und lächelte, als er mich sah.
    »Hi«, sagte er. »Das ist ja nett, dich hier zu treffen.«
    Unsicher lächelte ich zurück. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, wer er war.
    »Wir haben uns das letzte Halbjahr in Chemie schräg gegenübergesessen. Immer wenn du in meine Richtung geschaut hast, habe ich versucht, Blickkontakt mit dir aufzunehmen. Aber du hast jedes Mal durch mich hindurchgeschaut, als wäre ich aus Glas.«
    »Tut mir leid«, sagte ich. »Das ist keine Absicht gewesen.«
    Er lächelte wieder und neben seinem linken Mundwinkel erschien ein Grübchen. Er sah nicht ganz so gut aus wie Steve, und als ich ihn jetzt von vorne betrachten konnte, stellte ich fest, dass die Ähnlichkeit gar nicht so groß war, wie ich anfangs gedacht hatte. Aber er hatte ein offenes Gesicht, ein süßes Lächeln und klare, helle Augen mit überraschend langen Wimpern.
    »Das Prisma ist hübsch«, sagte ich. »Überlegst du, es für deine Freundin zu kaufen?«
    »Für meine Mom«, antwortete er. »Glaubst du, eine Mutter freut sich über so etwas? Was macht man überhaupt damit? Trägt man es an einer Kette?«
    »Man hängt es in ein Fenster, damit die Sonne sich darin brechen und Regenbogen an die Wand werfen kann«, sagte ich. »Es ist ein Symbol für den Neuanfang.«
    »Das gefällt mir.« Er sah mir in die Augen. »Ich habe dich in Chemie beobachtet und mir den Kopf darüber zerbrochen, wie ich es anstellen könnte, dich kennenzulernen. Du bist noch relativ neu an der Schule, oder? Sonst wären wir uns bestimmt schon früher mal über den Weg gelaufen.«
    »Wir sind im September hierhergezogen.«
    »Und, hast du schon ein paar Freunde gefunden?«
    »Das ist nicht so einfach, wenn man erst im Abschlussjahr dazukommt. Und dass ich keinem der Sportteams beigetreten bin, macht es noch schwerer.«
    »Wenn du Lust hast, können wir ja mal was zusammen unternehmen und ich stell dir ein paar Leute vor.« Er versuchte, lässig zu klingen, war aber knallrot geworden. Irgendwie wirkte er dadurch noch süßer. »In den Weihnachtsferien werden immer jede Menge Partys gefeiert.«
    Meine Gedanken wanderten zu einer ganz besonderen Party und einem ganz besonderen Jungen zurück. Er hatte mit mir im flackernden Schein des Kaminfeuers getanzt, sein Atem duftete nach Schokolade und in seinen Haaren hatte sich Lametta verfangen. Ich spürte der Erinnerung mit allen Sinnen nach, fühlte noch einmal den Zauber der ersten Liebe. Dann verbannte ich sie an den Ort, an den alles verbannt wird, was hätte sein können.
    »Klingt super«, sagte ich. »Ich liebe Weihnachtspartys.«
    Als ich an dem Abend nach Hause kam, hängte ich mein Kristallprisma auf.
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