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Schweig um dein Leben

Schweig um dein Leben

Titel: Schweig um dein Leben
Autoren: Lois Duncan
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fragen«, gab Mr Bushnell knapp zurück. »Ich werde meinen Sohn heute Nacht nicht noch mal wecken.«
    Es klickte in der Leitung und das Freizeichen ertönte. Hinter mir klackerten Porkys Krallen über den ausgetretenen Linoleumboden, als er herumstreunte, um den Raum zu erkunden.
    »April?«, rief Lorelei aus dem Wohnzimmer. »Wo bist du?«
    »In der Küche«, rief ich zurück, während ich überlegte, was ich als Nächstes tun sollte. Mein erster Gedanke war, die Polizei zu verständigen, aber wie sollte ich sie vom Ausmaß der Gefahr überzeugen, in der wir uns befanden? Da ich ihnen nichts über das Zeugenschutzprogramm erzählen durfte, würden sie meine Ängste für übertrieben halten. Die einzige Person, die den Ernst der Lage begreifen würde, war Tom Geist. Vielleicht hatte Dad ihn bereits angerufen, nachdem er und Mom herausgefunden hatten, dass ich weggelaufen war, und er hatte ihnen geraten, sofort das Haus zu verlassen.
    Ich hatte gerade das Telefon hochgehoben, um die Nummer darunter abzulesen, als Porky plötzlich anfing, wie verrückt zu bellen. Er fixierte einen Punkt hinter mir, und als ich mich umdrehte und seinem Blick folgte, sog ich entsetzt die Luft ein. Hinter dem regennass glänzenden Küchenfenster blitzten tiefschwarze Augen in einem blassen Gesicht auf.
    Ich erstarrte, war wie hypnotisiert vom funkelnden Blick des Vampirs. Das Monster aus meinen schlimmsten Kindheitsalbträumen hatte mich schließlich doch gefunden. Seine Lippen verzogen sich zu einem spöttischen Lächeln, das mich genauso schaudern ließ, als hätte er lange spitze Fangzähne entblößt. Aber das war kein Blutsauger aus einem Gruselschocker, sondern der eiskalte Killer aus dem wirklichen Leben.
    »Porky, aus!«, hörte ich Lorelei hinter mir rufen. »Du weckst mit deinem Gebelle ja Tote auf. Wen rufst du an, April? Die Polizei oder das Krankenhaus?«
    Ihre Stimme riss mich aus meiner Starre. Ich ließ das Telefon fallen, hechtete zur Verandatür und schob den Riegel vor.
    »Was hast du denn, Kind?«, fragte meine Großmutter verwirrt.
    Ich drehte mich zu ihr um. »Die Eingangstür!«, rief ich. »Hast du sie hinter dir abgeschlossen, als du reingekommen bist?«
    »Ich glaube nicht, warum …«
    »Er hat uns gefunden!« Ich zeigte zum Fenster, aber das Gesicht war verschwunden. Es waren nur noch die gespenstischen Bewegungen der von Wind und Regen gepeitschten Äste in der Dunkelheit zu sehen.
    »Ich verschließe die Tür«, sagte Lorelei, »und du rufst die Polizei. Sag ihnen, dass jemand versucht, bei uns einzubrechen.«
    Sie hatte kaum den Flur erreicht, als ich schon an ihr vorbei Richtung Wohnzimmer rannte und dort wie angewurzelt stehen blieb. Die Eingangstür war sperrangelweit offen, genau wie ich befürchtet hatte, und der Mann mit den unheimlichen Augen stand auf der Schwelle, erleuchtet von einem gleißenden Blitz, der gerade hinter ihm über den Nachthimmel zuckte. Er war groß und schlank, seine dichten schwarzen Haare, die diesmal nicht unter einer blonden Perücke verborgen waren, waren glatt aus dem Gesicht gestrichen. Sein durchnässtes T-Shirt betonte seinen durchtrainierten Oberkörper und machte deutlich, dass die Waffe in seiner Hand überflüssig war. Er würde uns mit bloßer Muskelkraft überwältigen können.
    »Was wollen Sie?«, fragte ich mit zitternder Stimme.
    »Ich bin hier, um Ihrem Vater einen Besuch abzustatten«, antwortete Mike Vamp. Seine Stimme war leise und kultiviert, hatte einen fast samtigen Unterton, der auf Porky eine solch beruhigende Wirkung hatte, dass er zu bellen aufhörte und stattdessen anfing, fröhlich mit dem Schwanz zu wedeln.
    »Sie müssen April sein. Oder soll ich Sie lieber Valerie nennen? Mir scheint, als wären sich die Leute hier nicht sicher, was Ihren Namen betrifft.«
    »Das ist der Mann, der mich überfallen hat!«, rief Lorelei hinter mir und trat dann neben mich.
    »Mrs Gilbert, was für eine nette Überraschung«, entgegnete Vamp höflich. »Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns so schnell wiedersehen. Wie geht es Ihrem Arm?«
    Lorelei reckte kämpferisch das Kinn, wofür ich sie nur bewundern konnte.
    »An Ihrer Stelle würde ich ganz schnell von hier verschwinden«, sagte sie. »Meine Enkelin hat die Polizei verständigt, sie muss jeden Moment hier eintreffen.«
    »Das bezweifle ich«, sagte Mike Vamp gelassen. »Ich habe gesehen, wie sie das Telefon fallen gelassen hat, bevor sie die Gelegenheit hatte, eine Nummer zu wählen.« Er trat ins Haus und
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