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Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Titel: Die Herrin der Rosen - Historischer Roman
Autoren: Sandra Worth
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P ROLOG
    S EATON D ELAVAL , A PRIL 1471
    »Mylady.«
    Die vertraute Stimme erschreckte mich, zumal ihr auffallend sanfter Tonfall schlechte Neuigkeiten verhieß. Bangen Herzens blickte ich auf und hielt den Atem an. Tom Gower, der Knappe meines Gemahls, stand auf der Schwelle der kleinen Kammer, und seine Miene vermochte die Kälte nicht einzudämmen, die sich in mir ausbreitete. Der Umhang, an dem ich stickte, glitt mir aus den Händen, als ich mich mühsam erhob. Ich musste mich an der Stuhllehne abstützen, weil mir die Beine zitterten. Dann trat er vor, und ich erkannte, dass er einen Brief bei sich hatte. Vor lauter Erleichterung wollte ich einen Freudenschrei ausstoßen. Gelobt sei Gott, er ist nicht gekommen, um mir schreckliche Nachricht aus der Schlacht zu bringen, sondern um mir einen Brief meines geliebten Gemahls zu überreichen!, dachte ich. Mein Lächeln, als ich auf ihn zuging, war so strahlend, dass es sich anfühlte, als wollte es mir die Wangen spalten.
    »Tom, mein lieber Tom, ich bitte dich, erhebe dich! Für einen Moment dachte ich … Ach, wen kümmert, was ich dachte!« Immer noch lächelnd, nahm ich den Brief entgegen und drückte ihn an mein Herz. Nun jedoch bemerkte ich, dass mein Lächeln unerwidert blieb und Toms Gesicht so blass und ernst war wie in jenem eisigen Moment, in dem ich erstmals seine Stimme vernommen hatte. »Tom, wie steht es im Krieg für die Lancastrianer?«
    Er zögerte, ehe er antwortete: »Ich weiß es nicht, Mylady. Nachdem ich Mylord half, die Rüstung anzulegen, bat er mich zu gehen und Euch diese Nachricht und … diesen Ring zu bringen. Da hatte die Schlacht noch nicht begonnen.« Er griff in sein Wams. Mir fiel auf, dass seine Finger steif wirkten, als könnte er sie nur mit einiger Mühe bewegen, und seinem Blick nach zu urteilen, verheimlichte er mir etwas.
    Ich nahm das Samtbeutelchen, das er mir reichte, und zog den Ring heraus. Dabei war mir, als schwebte ich außerhalb meiner selbst und betrachtete die Szenerie gleichsam von oben. Im schwindenden Tageslicht blinkte der Stein auf die gleiche Art wie Johns dunkelblaue Augen.
    Plötzlich wurde die Welt um mich herum sehr still, und im Geiste sah ich ein fünfzehnjähriges Mädchen an einem Fenster sitzen. Das Herz schwer vor Einsamkeit, schaute es dem Sonnenuntergang zu. An jenem Tag ging es einen Handel mit dem Schicksal ein und wurde erhört. Ihm wurde gewährt, was es erbat.
    Jenes Mädchen war ich. Im Gegenzug für eine Gabe leistete ich ein Versprechen, und die Zeit war gekommen, es einzulösen. So dunkel die Schatten nun auch sein mochten, hatte ich nie vergessen, dass ich die glücklichste aller Frauen bin. Zwar hatte ich mein Maß an Kummer und Not erlebt, doch war ich überdies mit einer Liebe gesegnet worden, wie sie nur wenigen zuteilwird, einer Liebe, deren Glanz mein Leben überstrahlte wie die Sonne die Erde. Die Wärme dieser Liebe trocknet alle Tränen, denn sie überwindet alles, sogar die Zeit, sogar den Tod. Ich bereue nichts.
    Ich fand meine Fassung wieder, hob den Kopf und sah Gower an. »Du hattest einen weiten Weg, Tom«, sagte ich und war dankbar, dass meine Stimme nicht zitterte. »Bitte die Köchin, dir das beste Mahl zu bereiten, das wir anbieten können, und ruh dich aus!« Leider brannten doch Tränen in meinen Augen, und meine Lippen bebten. Rasch wandte ich mich ab. Ich hörte Gowers Schritte den Korridor entlanghallen, als er ging.

E NGLAND UNTER DEM H AUS L ANCASTER
    1456–1461

1
    J UNI 1456
    Inmitten der Blitze, des Donners und des Platzregens eines Sommergewitters tauchte in der Ferne eine Burg auf. Meine Gebete waren erhört worden. »Dort!«, rief ich, außerstande, meine Freude zu verbergen. »Dort können wir Zuflucht suchen, nicht wahr, Sœur Madeleine?«
    Die Nonne, deren Umhang der Wind um ihre kleine, plumpe Gestalt peitschte, drehte sich in ihrem Sattel, beachtete den jungen Landsknecht Guy gar nicht und wandte sich stattdessen an den Knappen, der uns auf unserer Reise begleitete. »Master Giles, ist Euch dieser merkwürdige Ort bekannt?«, fragte sie. Bei ihrem starken Anjou-Akzent musste ich stets genau hinhören, um zu unterscheiden, ob sie Englisch sprach oder Französisch. Was die Burg betraf, hatte sie recht, stand das Gemäuer doch auf einer weiten, sattgrünen Ebene, nicht auf einem Hügel, und wirkte eher wie ein vornehmer, einladender Landsitz und nicht wie eine Festung. Mit den sechseckigen roten Ziegelsteintürmen sowie den großen Fenstern bot der
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