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Schweig um dein Leben

Schweig um dein Leben

Titel: Schweig um dein Leben
Autoren: Lois Duncan
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musste mich jedoch nach ein paar Schritten bereits wieder ducken, wodurch es mir viel schwerer fiel, das Gleichgewicht auf den schmalen Brettern zu halten. Lautlos fluchend begab ich mich erneut in die Hocke und kroch auf Händen und Knien weiter, bis ich spürte, dass die Decke meinen Kopf in exakt dem gleichen Winkel streifte wie vorhin über dem Schrank meiner Eltern. Jasons Zimmer war genauso geschnitten wie ihres, sein Schrank musste sich also direkt unter mir befinden.
    Ich kroch noch ein paar Meter weiter, konnte aber nirgends die Umrisse einer Falltür entdecken. Suchend ließ ich die Hände über das Sperrholz zwischen den Planken gleiten, griff dabei aber lediglich in ein altes Erdnussbuttersandwich, das an meinen Fingern kleben blieb, als wäre es mit Kleister bestrichen. Daneben ertastete ich ein paar Bananen und ein Plastiktütchen, in dem offenbar mal Kekse gewesen waren.
    Die Tatsache, dass ich auf den Essensvorrat der Jungs gestoßen war, konnte eigentlich nur bedeuten, dass ich mein Ziel fast erreicht hatte. Hastig suchte ich weiter den Boden um mich herum ab und unterdrückte einen Schmerzensschrei, als ich mir einen Holzsplitter in den Handballen rammte. Dann stieß ich mit den Knien plötzlich gegen etwas Metallenes. Ich ließ die Finger über den zylindrisch geformten Gegenstand gleiten, und mein Herz machte einen Sprung, als mein Daumen einen Knopf ertastete. Mein Bruder hatte mir das beste Geschenk überhaupt zurückgelassen – eine Taschenlampe.
    Ich knipste sie an, und die Welt um mich herum nahm endlich Konturen an. Die Falltür, die ich suchte, befand sich schräg gegenüber von mir, gerade so weit weg, dass ich sie nicht hatte ertasten können. Ich robbte an sie heran und zog an dem bis zur Hälfte eingelassenen Nagel, der als Griff diente. Zu meiner Erleichterung ließ sie sich ohne Mühe öffnen. Durch das Rechteck drang ein schwacher gelber Lichtschein, und als ich mich darüberbeugte, sah ich, dass Schrank- und Zimmertür offen standen und das Licht aus dem Flur kam.
    Vorsichtig schob ich mich mit den Beinen voran die Öffnung hinunter, bis ich mich mit den Füßen auf der Kleiderstange abstützen konnte, und ließ mich von dort auf den Boden fallen. Dank der Tennisschuhe, die ich trug, landete ich so lautlos wie eine Katze, die von einem Baum in weiches Gras springt. Ich warf einen prüfenden Blick in das Zimmer meines Bruders, bevor ich aus dem Schrank trat und zur Tür schlich. Da Jasons Fenster genauso klein war wie meins, sodass nicht einmal er sich hätte hindurchquetschen können, blieb mir nichts anderes übrig, als durch den Hinterausgang in der Küche zu entkommen und zu hoffen, dass Mike Vamp sich tatsächlich im Wohnzimmer auf die Lauer gelegt hatte.
    Ich schaltete die Taschenlampe aus und lauschte einen Moment lang mit angehaltenem Atem in die Stille. Als ich nichts hörte, trat ich in den Flur hinaus und machte mich so leise wie möglich auf den Weg Richtung Küche. Nach ein paar Schritten knarrte plötzlich eine Bodendiele und ich erschrak fast zu Tode. Einen Moment lang rührte ich mich nicht von der Stelle, aber zu meiner Erleichterung blieb im Wohnzimmer alles ruhig.
    Ein paar Sekunden später hatte ich die Küche erreicht. Das Licht war noch an, und auf dem Boden vor der Arbeitsplatte lag das Telefon, das ich fallen gelassen hatte, kurz nachdem ich Vamps Gesicht im Fenster gesehen hatte. Als ich auf die Verandatür zuging, stellte ich überrascht fest, dass sie nicht verschlossen war, dachte mir aber nichts weiter dabei. Die Freiheit war zum Greifen nah, und dass ich es überhaupt so weit geschafft hatte, ließ mich jede Vorsicht vergessen. Ich riss die Tür auf und trat auf die Veranda.
    Mittlerweile hatte es aufgehört zu regnen. Am Himmel spähte eine dünne bleiche Mondsichel zwischen den Wolken hervor, es duftete nach feuchtwarmer Erde, und aus dem Unterholz drang das Zirpen der Grillen.
    Ich war auf halbem Weg die Treppe hinunter, als Porky anfing zu bellen. Erschrocken blieb ich stehen und fragte mich, warum er erst jetzt anschlug und nicht schon, als ich noch im Haus gewesen war, bis mir klar wurde, dass das Bellen nicht von drinnen kam, sondern aus dem Garten. Einen Augenblick später sah ich, wie er aufgeregt auf mich zuflitzte und offensichtlich dachte, ich würde eine Runde Fangen mit ihm spielen, denn genau danach musste es für ihn ausgesehen haben, als ich losrannte. Noch bevor ich Mike Vamp hinter mir hörte, war ich weiter die Verandatreppe
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