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Schweig um dein Leben

Schweig um dein Leben

Titel: Schweig um dein Leben
Autoren: Lois Duncan
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nach vorn zeigte, und hieb ihn meinem Gegner mit voller Wucht ins Gesicht.
    Der Aufprall war so hart, dass es mir den Schläger aus der Hand riss und Vamp rückwärts an den Rand des Grabens stolperte. Dort blieb er einen Moment lang taumelnd stehen. Dann verdrehte er die Augen, seine Beine gaben unter ihm nach, und er stürzte die Böschung hinunter.
    Gelähmt vor Entsetzen rührte ich mich nicht von der Stelle, bis ich schaudernd hörte, wie er unten aufkam, und aus meiner Starre erwachte. Ich lief an den Rand des Grabens, der immer noch einem reißenden Strom glich, und leuchtete mit der Taschenlampe die Oberfläche ab – nichts.
    Der Killer war weg, als hätte es ihn nie gegeben.
    Vielleicht hatte es ihn auch nie gegeben, dachte ich unwillkürlich. War er überhaupt echt gewesen? Oder nur ein Hirngespinst aus einem Fiebertraum? Vielleicht würde ich morgen in Prinzessin Aprils Gemach aufwachen und über den kindischen Albtraum lachen, der mir so echt vorgekommen war. Doch noch während ich versuchte, mir selbst etwas vorzumachen, schlitterte ich über die Böschung in den Graben hinunter und machte mich darauf gefasst, mit der grauenvollsten Suche meines Lebens zu beginnen.
    Mindestens drei Dutzend Mal ging ich in dieser Nacht den Graben ab und wühlte am Grund nach etwas, das ich nicht finden wollte. Als ich schließlich einsehen musste, dass es aussichtslos war, hatte ich nicht mehr genügend Kraft, um die Böschung wieder hochzuklettern. Ich weiß nicht, wie lange ich im Wasser stand, mich gegen die Strömung stemmte und auf den Morgen wartete. Vielleicht waren es Stunden, vielleicht nur Minuten, aber genau dort fand mich meine Familie, als Tom Geist sie vom Krankenhaus nach Hause fuhr.
    Es war mein Vater, der in den Graben kletterte, mich herauszog und auf seinen Armen zum Haus trug. Tom blieb, um nach Mike Vamps Leiche zu suchen, die er eingequetscht zwischen den Vorderreifen des Plymouth und einer Rohrleitung fand. Als der Himmel im Osten heller wurde und die Äste der Bäume sich mit zwitschern den Vögeln füllten, versammelten wir uns schließlich alle im Wohnzimmer, um das letzte Kapitel der Familiengeschichte der Webers zu verfassen.
    »Was für eine Ironie, das musst sogar du zugeben«, sagte Lorelei trocken. »Zum ersten Mal im Leben haben wir etwas gemeinsam, und dann ist es ausgerechnet so etwas.«
    »Unsere Situationen sind nicht vergleichbar«, entgegnete Mom. »Du hast dir den Arm nicht aus eigener Dummheit gebrochen. Als ich von Larry erfahren habe, dass Valerie nicht bei Kim ist, war ich so außer mir, dass ich mich sofort in den Wagen gesetzt habe, obwohl ich wusste, dass ich nicht mehr fahren sollte.«
    Sie saßen nebeneinander in unseren schäbigen Sesseln und hatten beide den jeweils rechten Arm auf der Lehne liegen – in Gips. Ich kauerte auf dem Sofa, die Füße im Schoß meines Vaters und eine Decke um die Schultern, weil ich trotz der Hitze, die im Wohnzimmer herrschte, am ganzen Körper zitterte. Jason lag ausgestreckt auf dem Boden, den Kopf auf Porkys Flanken, und Tom Geist stand an der Tür und musterte uns mit einem Blick, als wünschte er sich, uns niemals begegnet zu sein.
    »Ihnen ist hoffentlich klar, dass Ihre Tage in Grove City gezählt sind«, sagte er. »Wir können hier keinerlei Garantie mehr für Ihre Sicherheit übernehmen. Vamp ist zwar tot, nicht aber die Leute, die ihn angeheuert haben. Profikiller gibt es wie Sand am Meer. Wenn einer versagt, wird einfach der nächste geschickt.«
    »Dann können wir nie mehr in unser altes Leben zurückkehren?«, fragte Mom. »Wollen Sie das damit sagen? Dass wir uns für immer verstecken müssen?«
    »Es gibt auch noch eine andere Lösung«, sagte mein Vater. »Außer uns weiß niemand, was letzte Nacht hier passiert ist. Vamp könnte seinen Job erledigt und mich umgebracht haben, bevor er selbst starb. Seine Auftraggeber hätten damit keinen Grund, weiter nach mir zu suchen. Es bräuchte bloß eine Sterbeurkunde mit meinem Namen darauf und ihr könntet nach Hause gehen und euer normales Leben weiterführen.«
    »Ohne dich?«, rief Mom entsetzt.
    »Es wäre zumindest eine Möglichkeit, über die ihr nachdenken solltet«, sagte Dad. »Andernfalls ist es so, wie du gesagt hast – wir müssten uns für immer verstecken. Solange diese Leute denken, dass ich noch lebe, werden sie mich als Bedrohung betrachten.«
    »Dann fangen wir eben woanders ein neues Leben an«, sagte Mom entschlossen.
    »Nur leider nicht mithilfe des
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