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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition)
Autoren: T.C Boyle
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Jogginganzug, mit fettigen Haaren und einem narbigen, nackten Gesicht ohne einen Hauch von Make-up. »Suchst du nach Jordy?« fragte sie, und vielleicht erkannte sie mich ja wieder.
    Das Getrommel in meiner Brust ebbte schlagartig ab. Ich schämte mich. War verlegen und kam mir fehl am Platze vor, mein Kopf fühlte sich leer und höhlenartig an nach dem vielen Trübsal-Scotch vom Abend. »Ja«, gestand ich.
    Sie hatte Mitleid mit mir und weihte mich ein: »Sie ist mit diesem Kerl von der Versteigerung gestern gleich zu irgend so einem kleinen Kaff gefahren. Sagte, daß sie zum Rückflug am Montag wieder da ist.«
    Zehn Minuten später saß ich in meinem Chevy-Halbtonner und donnerte den Highway in Richtung Fairbanks und zur Abzweigung der Schotterstraße nach Boynton rauf. Ich verspürte einen Druck, der an Raserei grenzte, und mein Fuß lag auf dem Gaspedal wie ein Zementklotz, denn mir war völlig klar, was Bud tun würde, sobald er es nach Boynton geschafft hätte. Er würde den Wagen irgendwo loswerden – den er garantiert ohne die Einwilligung des rechtmäßigen Besitzers ausgeliehen hatte, wer immer das nun sein mochte –, sein Kanu mit Proviant und Jordy beladen und sich dann über den Fluß in Richtung seiner illegal errichteten Hütte absetzen. Und wenn das geschah, würde Jordy ihren Rückflug nicht erwischen. Nicht am Montag. Vielleicht gar keinen Flug mehr.
    Ich versuchte an Jordy zu denken, wie ich sie aus alledem erretten könnte und wie dankbar sie mir dann sein müßte, sobald ihr nur erst klargeworden wäre, mit was für einem Menschen sie es bei Bud zu tun hatte und was seine Absichten waren, aber jedesmal, wenn ich mir ihr Gesicht vorstellte, stieg das von Bud aus irgendeinem finsteren Loch meines Bewußtseins empor und überlagerte ihr Bild. Ich sah ihn am Tresen sitzen, in jener Nacht, in der er seine Füße verloren hatte. Er hatte sich wieder mal vollaufen lassen – obwohl ich ihm im Laufe des vergangenen Jahres schon dreimal Hausverbot erteilt hatte, wurde ich letztlich doch immer weich. War auf einer Sause gewesen, mit Chiz Peltz und so einem Indianer, den ich noch nie zu Gesicht bekommen hatte, der aber behauptete, ein vollblütiger Flathead aus Montana zu sein. Es war Januar, ein paar Tage nach Neujahr, vielleicht zwei Uhr nachmittags, vor den Fenstern wurde es dunkel. Auch ich trank – mimte den Barkeeper, bediente mich aber öfter beim Scotch –, es war einer dieser Tage, wo die Zeit keine Rolle spielt und dein Leben sich dahinschleppt, als wären die Bremsen angezogen. Es waren vielleicht noch acht Leute bei mir im Laden: Ronnie Perrault und seine Frau Louise, Roy Treadwell, der einen Wartungsservice für Schneepflüge führt und Brennholz verkauft, Richie Oliver und noch ein paar – keine Ahnung, wo J.J. an diesem Tag war, hat wohl in seiner Hütte Patiencen gelegt oder die Wände angestarrt, wer weiß?
    Jedenfalls war Bud voll drauf und fing an, Ausdrücke zu verwenden, die ich in meiner Bar sowieso nicht dulde, schon gar nicht, wenn Damen anwesend sind, deshalb ersuchte ich ihn, damit aufzuhören, und von da an wurde die Sache ungemütlich. Letzten Endes mußte ich den Indianer an der Kehle packen und gegen die Wand drücken und Bud noch seinen halben Parka herunterreißen, ehe ich die drei davon überzeugen konnte, ihr Besäufnis drüben im Nougat fortzusetzen, wohin sie sich auch trollten, bereits in reichlich übler Verfassung. Clarence Ford ertrug sie auch nur bis gegen sieben, dann schmiß er sie raus und verriegelte die Tür, worauf sie sich in den Wagen von Chiz Peltz setzten, Motor und Heizung voll aufgedreht, und eine Flasche kreisen ließen bis sonstwann. Natürlich ging dem Wagen über kurz oder lang der Sprit aus, inzwischen waren alle drei besinnungslos wie die Zombies, und über Nacht fiel die Temperatur auf etwa minus fünfzig... Wie gesagt, Chiz hat es nicht überlebt – wie er vor meinen Laden gekommen ist, werd ich wahrscheinlich nie erfahren. Bud brachten wir mit dem Hubschrauber ins Krankenhaus nach Fairbanks, aber seine Füße konnten sie dort nicht mehr retten. Der Indianer – hab ihn seit damals nie wieder gesehen – schien das Ganze mit Hilfe von zehn, zwölf Tassen Kaffee mit einem ordentlichen Schuß Gratis-Bourbon im Nougat einfach von sich abperlen zu lassen.
    Bud hat mir und Clarence und allen übrigen Leuten im Ort nie verziehen. Er war ein Miesepeter, ein Nörgler der Oberklasse, der Typ Mensch, der seine Probleme jedem anderen zuschreibt, nur
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