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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition)
Autoren: T.C Boyle
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einem Clown im Holzfällerhemd, der aussah, als hätte man ihn gerade irgendwo aus einem Gebüsch hervorgezerrt. Ich schwöre, er hatte Laub in den Haaren. Oder noch Schlimmeres. Peter hatte begonnen: »Wer gibt mir eine Zahl, höre ich ein Eröffnungsangebot von euch?«, und dieser Typ hob die Hand und sagte: »Hundert Scheine«, einfach so. Mir fehlten die Worte. Auf Bud war ich ja vorbereitet, aber das war nun eine völlig neue Situation. Was dachte sich der Kerl überhaupt? Im Holzfällerhemd wollte der Jordy ersteigern? Nur mühsam unterdrückte ich den Impuls, mich durch die Menge zu schieben und den Burschen aus seinen Stiefeln zu reißen wie Unkraut am Straßenrand, doch dann schoß direkt vor mir eine weitere Hand in die Höhe, und dieser Bursche mußte mindestens sechzig sein, der Nacken bestand aus lauter Runzeln und Wülsten, aus den Ohren wuchsen ihm pissegelbe Härchen, und er sprach es ganz lässig aus, als bestellte er an der Bar einen Drink: »Hundertzwanzig.« Ich geriet in Panik, von allen Seiten bedrängt, und spürte meine Zunge in der Kehle kleben, als ich den Arm emporwarf. »Hundert-«, keuchte ich, »hundertfünfundzwanzig!«
    Dann war Bud an der Reihe. Ich hörte ihn, noch ehe ich ihn in der zweiten Reihe hingefläzt sitzen sah, gleich vorn bei der Bühne. Er bemühte sich gar nicht erst, die Hand zu heben. »Hundertfünfzig«, sagte er, worauf der alte Knacker vor mir sofort zurückkrähte: »Hundertfünfundsiebzig.« Ich war schweißgebadet und rang die Hände, bis ich glaubte, die Linke würde die Rechte zerquetschen und umgekehrt, das Sportjackett bohrte sich in mich wie ein härenes Hemd, es war in den Achseln und an den Schultern einfach zu eng. Hundertfünfundzwanzig war meine Schallmauer, absolut und unverrückbar, und da mußte ich mich schon anstrengen, um für die Verabredung selbst noch etwas übrig zu haben, trotzdem fühlte ich meinen Arm in die Höhe sausen, als wäre er an einem Draht befestigt. »Hundertsechsundsiebzig!« schrie ich, und der gesamte Saal drehte sich um und starrte mich an.
    Ich hörte ein Lachen von vorn, eine dreckige, höhnische kleine Lache, die mich ins Mark traf und heiße Lava durch meine Adern schießen ließ, es war Buds Lache, Buds verhaßte, spöttische, destruktive Lache, und dann warf seine Stimme die Mauer des Staunens nieder, die mein Gebot umgab, und verkündete meinen Untergang: »Zweihundertfünfzig Dollar«, sagte er, und ich stand wie vom Donner gerührt da, während Peter ausrief: »Zum ersten, zum zweiten«, und dann den Hammer niederknallen ließ.
    Ich erinnere mich nicht mehr, was danach passierte, aber ich wandte mich ab, ehe Bud zur Bühne hinaufhumpelte, um Jordy in die Arme zu nehmen und den öffentlichen Kuß von ihr zu empfangen, der für mich bestimmt gewesen war, drehte mich um und wankte auf die Theke zu wie ein Hirsch mit Bauchschuß. Ich versuche generell, mein Temperament zu zügeln, ehrlich – da liegt nämlich eine meiner Schwächen –, aber ich dürfte wohl etwas grob zu zwei Typen im Freizeitlook geworden sein, die mir den Zugang zum Scotch verstellten. Keine abscheuliche Tat, nein – ich ließ sie nur mit sehr deutlichen Worten wissen, daß sie mir im Weg standen, und falls sie darüber froh seien, daß ihre Arme noch in die Gelenke paßten, dann sollten sie sich aus dem Staub machen wie die Zuckermandelfee samt ihrem ganzen Hofstaat –, dennoch bedauerte ich es gleich danach. Ansonsten ist mir der Rest dieses Abends nicht mehr allzu deutlich in Erinnerung, nicht nachdem Jordy für schnöden Mammon an Bud gegangen war, aber eines fragte ich mich wieder und immer wieder, als hätte sich mir ein Splitter ins Gehirn gebohrt: Wie um Himmels willen konnte dieser arbeitslose Dreckskerl mit zweihundertfünfzig Mäusen antanzen?
    Am nächsten Morgen rief ich gleich als erstes in Jordys Zimmer an (ja, immerhin das: sie hatte auch mir ihre Zimmernummer gegeben, allerdings fragte ich mich jetzt, ob sie da nicht nur ein Spielchen spielen wollte). Es meldete sich niemand, und das sagte mir etwas, das ich lieber nicht erfahren hätte. Ich erkundigte mich an der Rezeption und hörte dort, daß sie bereits am Vorabend ausgecheckt hatte, und ich dürfte ziemlich bedripst gewirkt haben, denn der Angestellte erzählte mir von sich aus, er habe keine Ahnung, wohin sie gefahren sei. Im selben Moment aber tauchte die unsichtbare Frau von der Cocktailparty aus dem Nichts neben mir auf, nun plötzlich sehr bemerkbar in einem kotzgrünen
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