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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition)
Autoren: T.C Boyle
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ich einen doppelten Scotch in der Hand und fühlte mich gleich viel besser. »Ist ’ne schöne Landschaft hier oben«, sagte ich und erhob meinen Drink, begrüßte sie, den Ballsaal und alles übrige mit einem Klirren unserer Gläser, »besonders da, wo ich wohne, in Boynton drüben. Sehr friedlich«, sagte ich, »weißt du?«
    »O ja, ich weiß«, sagte sie, und zum erstenmal nahm ich wahr, daß da unter der Oberfläche ihrer rauchigen Stimme etwas brodelte, was kaum zu bändigen war, »jedenfalls kann ich es mir vorstellen. Nach allem, was ich gelesen habe, meine ich. Liegt an der Wasserscheide des Yukon, Boynton – stimmt’s?«
    Das war mein Stichwort, und ich war dankbar dafür. Ich legte mit einem ausufernden Fünf-Minuten-Vortrag über die geographischen und geologischen Glanzlichter der Gegend um Boynton los, mit Seitenschwenks auf Besonderheiten der lokalen Flora, Fauna und der einheimischen menschlichen Bevölkerung, wobei ich taktvoll jeden Verweis auf die ernüchternde Statistik vermied, die die Frage hätte provozieren können, was ich selbst eigentlich hier tat. Es war eine regelrechte Ansprache, die jeder Tourismuswerbung Ehre gemacht hätte. Als ich damit fertig war, sah ich, daß mein Glas leer war und daß Jordy richtig hippelig wurde, weil sie wenigstens ein Wort hochkant hineinbringen wollte. »Tut mir leid«, sagte ich und senkte schuldbewußt den Kopf, »ich wollte dich wirklich nicht vollquatschen, aber es ist eben so« – hier griff ich mir selbst voraus, da meine Zunge sich vom langsamen Brennen des Scotchs lockerte –, »daß wir einfach kaum je wen Neues zum Plaudern finden, außer wir unternehmen die weite Fahrt nach Fairbanks, und das kommt nicht so oft vor – und vor allem finden wir keine so gutaussehende, ich meine, so attraktive Frau wie dich.«
    Jordy brachte auf dieses Kompliment eine hübsche Errötung zustande, und dann legte sie mit ihrer eigenen Ansprache los, die geprägt war von Klagen über das Leben in der Stadt, das fehlende menschliche Element, die ständige Nerverei, Hast und Hektik, die schlechte Luft, die verschmutzten Strände und – hier gewann sie endgültig meine Aufmerksamkeit – den Mangel an Männern mit traditionellen Werten, Rückgrat und Mumm in den Knochen. Als sie diesen letzten Wunsch formulierte – ich weiß nicht, ob es genau diese Worte waren, aber jedenfalls sagte sie es sinngemäß so –, richtete sie ihren Gletscherblick auf mich, und ich fühlte mich mit einemmal, als könnte ich übers Wasser spazieren.
    Wir standen in der Schlange zum Buffet, als Bud Withers hereinschlurfte. Er kam mit seinen Plastikfüßen überraschend gut zurecht: wenn man nichts von seinem Problem wußte, würde man nie darauf tippen. Natürlich merkte man, daß irgendwas nicht stimmte – jeder seiner Schritte sah aus, als wäre er von hinten geschubst worden und hätte alle Mühe, nicht zu stürzen –, aber, wie gesagt, richtig abnormal wirkte es auch nicht. Für alle Fälle bugsierte ich mich zwischen Jordy und ihn, warf mich beinahe über sie, wie ein Adler beim Abdecken seiner Beute, und setzte unsere Unterhaltung fort. Sie wollte alles über das Leben in Boynton wissen, war geradezu versessen auf jede kleinste Einzelheit, und ich erzählte ihr, wieviel Freiheit man da draußen im Busch hat, wie man dort so leben kann, wie es einem gefällt, im Einklang mit der Natur, anstatt in irgendeinem Steinkasten mit Blick auf das nächste Einkaufszentrum eingesperrt zu sein. »Aber wie ist das bei dir?« fragte sie. »Mußt du denn nicht regelmäßig in deinem Laden sein?«
    »Ach, wenn ich mal Hummeln im Hintern hab, ist einfach ein paar Tage lang geschlossen.«
    Sie sah mich schockiert an, oder vielleicht eher skeptisch. »Und was ist mit deinen Kunden?«
    Ich zuckte die Achseln, um ihr zu zeigen, wie lässig das alles ablief. »Ist ja nicht so, daß ich das Geschäft fürs Allgemeinwohl betreibe«, sagte ich, »...außerdem haben sie zum Saufen noch The Nougat, die Kneipe von Clarence Ford.« (Eigentlich wollte Clarence seinen Laden »The Nugget« nennen, aber er hat’s nicht so mit der Rechtschreibung, und ich gebe mir jedesmal größte Mühe, den Namen schön buchstabengetreu auszusprechen, nur um ihn zu ärgern.) »Also wenn ich Lust dazu hab, mitten im Winter oder sonst irgendwann, häng ich einfach ein Schild raus: ›Bin jagen‹, hol meine Schneeschuhe aus dem Schuppen und geh meine Fallenstrecke ab.«
    Jordy schien darüber nachzudenken, während das Haar an
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