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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition)
Autoren: T.C Boyle
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alle so mager und ausgehungert wie Katzen im Winter. Bud beachtete mich nicht und fing an, den Typen aus Anchorage seine ewige Lügenmär aufzutischen, von wegen daß er in seiner Hütte draußen im Busch von nichts als der Natur lebte – was übrigens absolut unverdünnter Schwachsinn war, wie jeder bezeugen würde, der ihn länger als eine halbe Minute kannte –, und bald danach ließ sich J.J. mit einer Jodel-Seufzer-Kombination neben mir nieder und lud mich auf einen Drink ein, was mir recht war. »Na, hast du dir eine ausgesucht?« fragte er mit spöttischem Grinsen, als wäre die Geschichte mit den Weibern aus Los Angeles nichts als ein schlechter Scherz, obwohl ich genau wußte, daß er nur so tat und ebenso begierig und lechzend optimistisch war wie ich selbst.
    Plötzlich schoß mir das Bild von einhundertsieben Frauen in Reizwäsche durch den Kopf, dann stellte ich mir Jordy in schwarzem BH und schwarzem Höschen vor, wobei ich rot wurde, den Kopf einzog und ein verlegenes Lächeln aufsetzte. »Klar doch«, gab ich zu.
    »Aber ich will verdammt sein, wenn Mr.Supercool hier« – eine Geste in Richtung Bud, der sich gerade bis zum Hals bei den Sonntags-Naturburschen in ihren Versandhausklamotten einschleimte – »nicht auch eine im Auge hat. Er meint, er weiß auch ihre Zimmernummer, und er hat ihr außerdem schon gesagt, daß er für die Verabredung mit ihr alles bieten wird, was er kann, und wenn er das Familiensilber versetzen muß.«
    Mein Lachen geriet zu einer verbitterten, abgewürgten Angelegenheit. Bud kam frisch aus dem Knast, weil ihm wegen groben Unfugs mit Sachbeschädigung sechs Monate aufgebrummt worden waren. Genauer gesagt, hatte er mehrere Fenster zerschossen, bei drei Hütten und auf der Sonnenseite meines Ladens an der Hauptstraße – der einzigen Straße – im Zentrum von Boynton, 170 Einwohner. Der Kerl besaß nicht mal einen Pott zum Reinpissen, hatte bloß das, was er vom Veteranenbund bekam oder von der Sozialhilfe oder von wem auch immer – das war schwer zu sagen, so wie er immer wieder Tatsachen und Phantasie vermischte. Allenfalls hatte er noch diese Hütte, die er auf öffentlichem Grund und Boden am Yukon River gebaut hatte, und die war ein baufälliges Rattenloch. Ich wußte nicht einmal, wie es mit seinem Kind weitergegangen war, nachdem Linda ihn verlassen hatte, und ich wollte auch gar nicht darüber nachdenken. »Wie ist der überhaupt hergekommen?«
    J.J. war ein kleines Männchen mit kahlem Kopf und schneeweißem Vollbart, ein Witwer und Musiker, und er konnte ein leckeres Elchragout mit Knoblauch und Sahnesoße zusammenkochen wie sonst kaum irgendwer, der in den letzten zehn Jahren nach Alaska gekommen war. Er zuckte die Achseln und knallte seinen Bierkrug auf den Tresen. »Genau wie du und ich.«
    Ich staunte ungläubig. »Du meinst, im Auto? Wo hat er denn eins her?«
    »Keine Ahnung, aber letzte Woche hat er mir erzählt, daß ihm irgendein Kumpel seinen brandneuen Toyota Land Cruiser übers Wochenende leihen will und daß er außerdem vorhat, die zweite Mrs. Withers darin nach Boynton heimzuführen, selbst wenn er am Ende doch noch die hundertfünfzig Mäuse für die Party und so berappen muß. Es ist eine Investition, meinte er – als ob irgendeine Frau so wahnsinnig wäre, mit dem Kerl irgendwohin zu gehen, schon gar nicht in eine Hütte am hintersten Arsch der Welt.«
    Ich war zu diesem Zeitpunkt vermutlich bereits etwas benebelt und brachte keine rechte Antwort zustande. Ich spähte nur über die Schaumkrone meines Biers hinweg auf Buds Hinterkopf und seinen Ellenbogen, der auf der Theke ruhte, dann auf die Hacken seiner Stiefel, als könnte ich so seine Plastikfüße zu Gesicht bekommen, die in den Dingern drinsteckten. Einmal hatte ich sie gesehen, diese Füße, als er gerade frisch aus dem Krankenhaus kam und gleich bei meinem Laden hereinschneite, um sich was zu saufen zu holen, schon halb hinüber und nur mit Boxershorts unter dem Mantel, obwohl draußen minus fünfunddreißig Grad waren. »Hey, Ned«, sagte er damals in einem echt gemeinen, anklagenden Tonfall, »willst du mal sehen, was du und die anderen mir angetan haben?« Dabei klappte er den Mantel auf, um mir die Kunststoffprothesen zu zeigen, die mit Riemen an seinen Knöchel befestigt waren und exakt so aussahen wie die geformten rosa Füße einer Schaufensterpuppe im Kaufhaus.
    Ich machte mir Sorgen. Das wollte ich zwar J.J. nicht unbedingt merken lassen, aber ich kannte Bud, ich wußte,
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