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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition)
Autoren: T.C Boyle
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der Brandung ein paar Barsche, die wir uns dann gleich am Strand grillten, während die Sonne hinter der Steilküste im Westen versank.
    Die nächsten Tage waren idyllisch, und wir dachten an wenig mehr als an Liebe und Essen und das seidige Gefühl des Wassers auf unserer Haut zu dieser oder jener Stunde des Tages, aber dennoch nagte der Gedanke an Sarai weiter an mir. Zum Beispiel wurde ich jedesmal an sie erinnert, wenn ich gerne etwas Kaltes getrunken hätte oder wenn wir uns nach Sonnenuntergang mit Kerzen und Petroleumlampen behelfen mußten – wir würden uns einfach irgendwo einen anderen Generator besorgen, das war klar, aber in einer Stadt wie Santa Barbara waren die nicht gerade sehr gefragt (das heißt, in den alten Zeiten), daher wußten wir nicht recht, wo wir suchen sollten. Ja, und deswegen konnte ich das Bild von Sarai nicht abschütteln, ihren Gesichtsausdruck und die Dinge, die sie gesagt und getan hatte. Außerdem fehlte mir mein Häuschen, denn ich bin ein Gewohnheitstier, genau wie jeder andere Mensch. Oder ein noch größeres. Eindeutig, noch größer.
    Jedenfalls ergab sich die Lösung des Problems eine Woche später, und zwar in menschlicher Gestalt – zumindest erschien sie uns als menschliche Gestalt, aber es war ein Wunder, kein Zweifel. Felicia und ich waren gerade am Strand – nackt natürlich, so nackt und so ohne Scham oder auch nur ein Bewußtsein von Scham wie Eva und Adam –, als wir einen Menschen entdeckten. Auf dem langen geschwungenen Finger aus Sand, der sich in den Dunst der Unendlichkeit erstreckte, marschierte er forschen Schrittes in unsere Richtung. Als er näher kam, sahen wir, daß es ein Mann war, ein Mann mit struppigem grauweißem Bart und Haaren von derselben Farbe rings um die kahle Stelle in der Mitte des Schädels. Er trug Wandersachen, Stiefel mit dicken Stollensohlen und einen hellblauen Rucksack, der ihm wie ein zweites Paar Schultern auf dem Rücken saß. Da standen wir, splitternackt, und begrüßten ihn.
    »Hallo«, sagte er, blieb ein paar Schritte vor uns stehen und starrte erst in mein Gesicht, dann auf Felicias Brüste, und schließlich bückte er sich, unter gewissen Anstrengungen, um die Schnürsenkel seiner Stiefel neu zu binden. »Schön zu sehen, daß ihr zwei es geschafft habt«, sagte er in Richtung des Sandes.
    »Ebenfalls«, gab ich zurück.
    Beim Abendessen auf der Terrasse – Krabbensalat-Sandwiches, das Brot hatte Felicia gebacken – tauschten wir unsere Geschichten aus. Offenbar war er auf einer Bergwanderung gewesen, als die Seuche zugeschlagen hatte – »In den Bergen?« unterbrach ich ihn. »Wo denn genau?«
    »Ach«, sagte er und tat die Frage mit einem Wink seiner Hand ab, »oben in den Sierras, gleich hinter so einem winzigen Kaff – wahrscheinlich hast du noch nie davon gehört –, Fish Fry Flats?«
    Ich ließ ihn noch eine Weile weitererzählen, wie er seine Freundin aus den Augen verloren hatte und tagelang umhergeirrt war, bis er endlich auf eine Bergstraße gestoßen war und dort ein Auto requiriert hatte, um nach Los Angeles zu fahren – »Ein einziger Riesenfriedhof« –, und wie er nach diesem Erlebnis seit Tagen zu Fuß die Küste entlang gewandert war. Noch nie hatte ich ein so heftiges Glücksgefühl empfunden, einen solchen Schwall der Erregung verspürt, eine derartig einzigartige perfekte Auflösung erlebt.
    Ich konnte mich nicht länger beherrschen und unterbrach ihn erneut. »Weißt du, ich bin Hellseher«, sagte ich und erhob mein Glas auf den Mann, der mir gegenübersaß, auf Felicia und ihre Brüste, auf die glücklichen Fische in der brodelnden See und die Vögel, die sich in großer Zahl am grenzenlosen Himmel tummelten. »Du heißt mit Vornamen Howard, stimmt’s?«
    Howard war wie vom Donner gerührt. Er legte sein Sandwich beiseite und wischte sich einen Mayonnaiseklecks von der Lippe. »Wie hast du das erraten?« fragte er und sah mich an. Seine Augen waren unschuldig und rein, die jüngsten Augen der Welt.
    Ich lächelte nur und zuckte die Schultern, als wäre das mein Geheimnis. »Nach dem Essen«, sagte ich, »muß ich dich unbedingt mit jemandem bekannt machen.«
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