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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition)
Autoren: T.C Boyle
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Lebensmitteln, nahm ich eine Bewegung am anderen Ende des nächsten Gangs wahr. Mein erster Gedanke war, daß es ein Hund oder ein Coyote sein mußte, der sich irgendwie in den Laden geschmuggelt hatte, um an die Ratten und die großen Zehnkilosäcke mit Trockenfutter heranzukommen, dann aber wurde mir schockartig klar, daß ich nicht allein im Supermarkt war.
    In der langen Zeit, die ich mir dort schon meinen Proviant holte, war ich noch nie einer Menschenseele begegnet, nicht einmal Sarai oder einem der sechs, sieben anderen Überlebenden, die weit verstreut ein paar der Anwesen in den Hügeln in Beschlag genommen hatten. Dann und wann einmal sah ich in der Schwärze der Nacht ein Lichtlein brennen – irgendwem war es sogar gelungen, auf »Las Tejas«, einer Villa im italienischen Stil rund einen Kilometer von »Mírame« entfernt, den Generator in Gang zu setzen –, und gelegentlich bretterte in der Ferne ein Auto den Freeway entlang, aber wir Überlebenden gaben uns prinzipiell zurückhaltend und gingen einander aus dem Weg. Es war natürlich Angst, der kleine Funken von Panik, der uns sagte, die Infektion könne wieder umgehen, und die beste Weise, ihr zu entrinnen, sei das Vermeiden jeden menschlichen Kontakts. Also mieden wir einander. Ganz konsequent.
    Trotzdem konnte ich das Quietschen und Knarren des Einkaufswagens nicht einfach überhören, der nebenan durch den Mineralwassergang eierte, und als ich um die Ecke bog, stand sie vor mir: Felicia mit den langen Locken und dem verängstigten, bekümmerten Blick. Ich wußte ihren Namen damals nicht, nicht gleich, aber ich erkannte sie wieder – sie war eine der Kassiererinnen in der Filiale der Bank of America, wo ich immer meine Schecks einlöste. Beziehungsweise eingelöst hatte. Mein erster Impuls war es, mich wortlos zu verdrücken, aber ich überwand ihn – wie konnte ich Angst haben vor dem, was menschlich war, so greifbar menschlich... und so attraktiv? »Hallo«, sagte ich, nur um die Spannung zu überwinden, und dann hätte ich fast etwas Blödes gesagt wie: Offenbar haben Sie es auch geschafft oder: Harte Zeiten, was?, doch statt dessen beließ ich es bei: »Erinnern Sie sich an mich?«
    Sie wirkte gestreßt. Sah aus, als wollte sie am liebsten davonlaufen – oder auf der Stelle tot umfallen. Aber ihre Lippen waren brav und fanden sich wieder, um meinen Namen auszusprechen. »Mr. Halloran?« fragte sie, und es klang so gewöhnlich, so plebejisch, so wirklich.
    Ich grinste und nickte. Mein Name ist – war jedenfalls – Francis Xavier Halloran III ., ein Name, den ich hasse, seit Tyrone Johnson (inzwischen vermutlich tot) mich damit in der Vorschule gequält hat und immer Francis, Francis, Francis! brüllte, bis ich am liebsten im Boden versunken wäre. Aber das war jetzt eine neue knospende Welt, die geradezu aus den Nähten platzte bei der Anstrengung, die Konturen ihrer neuen Formen und Rituale zu entdecken. »Nenn mich Jed«, sagte ich.
    Nichts passiert über Nacht, vor allem nicht in Zeiten der Pest. Wir gingen skeptisch miteinander um, und in jeder banalen Phrase, in jedem lähmenden Gemeinplatz der Unterhaltung, die wir führten, während ich ihr half, den Proviant im Laderaum ihres Range Rovers zu verstauen, vibrierte gellend die Abwesenheit der Menschenmassen, die diese Wendungen vor uns benutzt hatten. Trotzdem gab sie mir an diesem Nachmittag ihre Adresse – sie war in die Villa Ruscello gezogen, einen wuchtigen Besitz, der in die Berge hineingebaut war, mit Flüßchen, Fischteich und einem Whirlpool voller Frischwasser –, von wo ich sie zwei Tage später abends in einem Rolls-Royce Silver Cloud abholte und in meinen Lieblingsfranzosen zum Essen ausführte. Das Restaurant war unberührt und makellos rein, es bot eine prächtige Aussicht aufs Meer, und ich zündete Kerzen an und schenkte uns zwanzig Jahre alten Bordeaux ein, danach schmausten wir Krabben, Trüffeln, marinierte Artischockenherzen und Cashewkerne, alles aus der Dose.
    Ich würde euch hier gern berichten, daß sie schön war, denn so sollte es sein im Reich von Fabel und Dichtung, doch das war sie nicht – jedenfalls nicht im herkömmlichen Sinne. Sie wog ein wenig mehr als nötig, was ich allerdings nach der sehnigen Sarai sogar eher erfreulich fand, und sie hatte einen ganz leichten Silberblick. Aber sie war anständig und nett, geradezu süß zu mir, und noch wichtiger – sie war zu haben.
    Wir unternahmen lange Spaziergänge, plünderten Salat, Tomaten und Zucchini
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