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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition)
Autoren: T.C Boyle
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Platz nahm und den Motor anließ. Sie stand drei Meter entfernt von mir, auf halbem Weg zwischen der leblosen Telefonzelle und dem immerhin funktionierenden Auto. Auf ihren vehementen Tonfall hin hob einer der Coyoten den Kopf und warf ihr einen schläfrigen Blick aus gelben Augen zu.
    »Ich werd in die Hütte zurückfahren«, sagte ich.
    »Du wirst was ?« Ihre Miene war gequält. Sie hatte Schlimmes durchgestanden. Und ich war ein wahnsinniger Teufel.
    »Hör zu, Sarai, es ist alles vorbei. Das hab ich dir jetzt schon hundertmal gesagt. Du hast keinen Job mehr. Du brauchst weder Miete, die Stromrechnung noch die Raten fürs Auto zu zahlen, und an den Geburtstag deiner Mutter mußt du dich auch nie wieder erinnern. Es ist vorbei. Kapierst du das nicht?«
    »Du bist verrückt! Du bist ein Idiot! Ich hasse dich.«
    Der Motor schnurrte zu meinen Füßen und vergeudete Benzin, aber es gab jetzt unbeschränkt Benzin, denn wenn mir auch klar war, daß die Pumpen an den Tankstellen nicht mehr funktionierten, standen ja überall auf der Welt Millionen und Abermillionen von Autos und Lastwagen mit vollen Tanks herum, die man abzapfen konnte, ohne daß sich jemand aufregte. Ich konnte auch einen Ferrari fahren, wenn ich wollte, einen Rolls oder einen Jaguar, ganz egal. Ich konnte auf einem Bett aus Juwelen schlafen, meine Matratze mit Hundertdollarscheinen ausstopfen, in einem nagelneuen Paar italienischer Halbschuhe durch die Straßen stolzieren, sie jeden Abend in den Rinnstein werfen und mir am Morgen neue aussuchen. Aber ich hatte Angst. Angst vor der Infektion, vor der Stille, vor den Knochen, die im Wind klapperten. »Ich weiß«, sagte ich. »Ich bin verrückt. Ich bin ein Idiot. Ich geb’s ja zu. Aber jetzt fahre ich zurück in die Hütte, und du kannst machen, was du willst – ist schließlich ein freies Land. War jedenfalls mal eins.«
    Ich wollte noch hinzufügen, daß es inzwischen auch eine freie Welt war, ein freies Universum, und daß der Herrgott im Detail steckt, der biblische Gott, der Gott von Hungersnot, Sintflut und Pestilenz, aber ich bekam keine Gelegenheit mehr. Ehe ich den Mund öffnen konnte, bückte sie sich nach einem Stein und ließ ihn durch meine Windschutzscheibe krachen, so daß mir Dreck und gesplittertes Sicherheitsglas um die Ohren flogen. »Stirb!« kreischte sie. »Du stirbst, du Scheißkerl!«
    An diesem Abend schliefen wir zum erstenmal miteinander. Am Morgen packten wir ein paar Sachen ein und fuhren die kurvige Bergstraße hinunter in das Beinhaus der restlichen Welt.
    Ich muß zugeben, daß ich nie ein großer Fan von Apokalypse-Filmen war, weder von den Weltuntergangsstreifen voller Spezialeffekte und Dumpfbacken-Dialogen noch von der Cyberpunkversion einer brutalen, rücksichtslosen Zukunft. Was wir aus derartigen Unterhaltungsprodukten angeblich zu erwarten hatten – die marodierenden Gangs, die Unmenschlichkeit, die Überlegenheit der Maschinen und daher die um so schlimmere Umweltverschmutzung und Verwüstung der Erde –, entsprach ganz und gar nicht der Wirklichkeit. Marodierende Gangs gab es keine – die waren alle tot bis auf den letzten tätowierten Punker –, und die einzigen Maschinen, die in Aktion traten, waren die Automobile und Rasentrimmer und so weiter, die wir, die Überlebenden, für höchst prosaische Zwecke in Gang setzten. Eine weitere Ironie des Schicksals lag ja darin, daß wir Überlebenden ausgerechnet zu den Menschen gehörten, von denen am allerwenigsten zu erwarten und wohl auch zu wünschen war, daß sie irgend etwas organisierten, ob Gutes oder Schlechtes. Wir waren die Aussteiger, die Unangepaßten, die Einsiedler, außerdem lebten wir so weit voneinander entfernt, daß wir sowieso nie in Kontakt kamen – und genauso wollten wir das auch. Es fanden nicht einmal Plündereien in den Supermärkten statt – dazu bestand keine Notwendigkeit. Es war mehr als genug da für alle, die auf der Welt existierten und existieren würden.
    Ich fuhr mit Sarai die Bergstraße hinunter, durch den verlassenen kleinen Ort Springville und die ebenso verlassene Stadt Porterville, von da wandten wir uns südwärts nach Bakersfield, und durch den Grapevine Canyon ging es ins südliche Kalifornien. Sie wollte unbedingt in ihre Wohnung, nach Los Angeles, um nachzusehen, ob ihre Eltern und Schwestern noch lebten – bei diesem Thema wurde sie zunehmend lautstark, während die Wirklichkeit dessen, was geschehen war, allmählich in sie einsickerte –, aber ich saß am
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