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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition)
Autoren: T.C Boyle
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Torschlußpuder
    Es waren einhundertsieben gekommen, alle Altersgruppen, Körpergrößen und -formen waren vertreten, von Fünfundzwanzig- bis Dreißigjährigen in Kleidern, die die reinsten Schrumpffolien waren, bis zu ein paar älteren vierschrötigen Typen, die in ihren Hosenanzügen aussahen wie die Mütter von irgendwem – und da denke ich an erwachsene Söhne mit Ziegenbärtchen und einem Job bei McDonald’s. Ich war dazu abgestellt, sie nach der Landung ihres Flugzeugs aus Los Angeles zu begrüßen, ich und Peter Merchant, dessen Reisebüro dieses Wochenende in Zusammenarbeit mit einer Firma aus Beverly Hills organisierte, außerdem waren noch ein paar andere Typen da, Absahner wie J.J. Hotel und leider auch diverse üble Elemente, womit ich speziell Bud Withers meine, der nicht mal bereit war, seine hundertfünfzig Scheine für das Buffet, die Malibu-Beach-Party und die Auktion danach springen zu lassen. Diese Typen spekulierten vermutlich auf eine kleine Gratiseinlage, aber dafür war ich ja da: um als eine Art Puffer zu fungieren und aufzupassen, daß so etwas nicht passierte.
    Peter grinste über das ganze Gesicht, als wir an das erste der Mädchen herantraten – Susan Abrams, laut Namensschildchen –, und reichte Anstecksträußchen herum, für jede Lady eins, dabei flötete er beschwingt: »Willkommen in Anchorage, im Land der Grizzlybären und der wahren Männer!« Reichlich kitschig – es war Peters Idee gewesen, nicht meine –, und ich fühlte mich ziemlich blöd bei den ersten paar (knallharte Frauen, garantiert geschieden, womöglich waren Kanzleisekretärinnen oder sogar Rechtsanwältinnen dabei), aber als ich diese Kleine mit den gletscherfarbenen Augen sah, etwa als sechste in der Reihe, da wurde ich auf einmal hellwach. Ihr Namensschildchen war kalligraphisch gestaltet, handgeschrieben, nicht vom Computer ausgedruckt wie bei allen anderen, und das imponierte mir wirklich, diese Sorgfalt, die sie hatte walten lassen, deshalb drückte ich ihr die Hand und sagte: »Hallo, Jordy, willkommen in Alaska«, als ich ihr den Blumenstrauß überreichte.
    Sie wirkte leicht benommen, nicht weiter verwunderlich nach dem Flug und den Drinks und bei der allgemeinen Partystimmung, die in dieser Maschine geherrscht haben mußte unter einhundertsieben unverheirateten Frauen auf dem Weg zum Labor-Day-Wochenende Anfang September in einem Staat, wo auf jede Frau zwei Junggesellen kommen, aber daran lag es gar nicht. Sie hatte allenfalls ein Glas Chablis getrunken – was ich als Verwirrtheit, Lethargie oder so gedeutet hatte, war reines Staunen. Wie ich später erfahren sollte, hatte sie sich schon ihr Leben lang zu Alaska hingezogen gefühlt, hatte darüber gelesen und davon geträumt, seit sie als kleines Mädchen in Altadena, Kalifornien, aufgewachsen war, in Sichtweite des Rose-Bowl-Footballstadions. Sie war ein Bücherwurm – nämlich Lehrerin für englische Literatur – und hatte eine neue ledergebundene Edelausgabe von Sturmhöhe unter den Arm geklemmt, an dem ihr Koffer und die Reisetasche hingen. Ich schätzte sie auf Ende Zwanzig, Anfang Dreißig.
    »Danke«, sagte sie mit einer Flüsterstimme, die mich glatt wieder zum Dreizehnjährigen machte, blinzelte mich aus ihren Schneeschmelzeaugen an und begutachtete mein Gesicht und meine Statur (ich sollte hier erwähnen, daß ich groß bin, einer der größten Männer im Busch rund um Boynton, eins sechsundneunzig und einhundertzehn Kilo, davon nicht allzuviel Fett), dann las sie meinen Namen vom Anstecker ab und fügte in einem Tiefseetauchgang ihres hauchzarten Stimmchens hinzu: »Ned.«
    Schon war sie weg, und die nächste Frau in der Reihe war dran (mit einem Gesicht wie eine Wanderkarte und dem Händedruck eines Holzfällers), dann noch eine und noch eine, und die ganze Zeit über frage ich mich, für wieviel Jordy bei der Auktion wohl weggehen wird, und ob die hundertfünfundzwanzig, die ich allenfalls ausgeben kann, auch genug sind.
    Die Mädchen – Damen, Frauen, egal jetzt – verschwanden erst mal eine Zeitlang auf ihre Zimmer im Hotel, um diverse Waschungen zu vollziehen, ihre Sachen zu bügeln und Make-up aufzulegen, während Peter und Susan Abrams herumwuselten und Vorsorge trafen, daß der Abend auch in jedem Detail klappte. Ich saß an der Bar und trank mexikanisches Bier, um in Stimmung zu kommen. Ich war kaum mit dem ersten fertig, da blickte ich auf – und wen sah ich? J.J. und Bud mit einem halben Dutzend Einheimischen im Schlepptau,
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