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Verführung über den Wolken

Verführung über den Wolken

Titel: Verführung über den Wolken
Autoren: EMILIE ROSE
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1. KAPITEL
    Schon wieder.
    Wütend stieß Lauren die Luft aus und drückte den Fahrstuhlknopf für das oberste Stockwerk. Immer wenn ihr Halbbruder nach ihr verlangte, war ihr, als würde sie zum Direktor ihrer Schule befohlen, weil sie irgendetwas ausgefressen hatte. Dabei hatte sie früher nie den Mut gehabt, unangenehm aufzufallen.
    Trent wollte sie los sein, das hatte er bereits mehr als deutlich gemacht. Eigentlich schon, seit ihre gemeinsame Mutter ihn sechs Wochen zuvor dazu gezwungen hatte, sie, Lauren, als Pilotin für die Hightower Aviation Management Corporation einzustellen. Die Mutter hatte als Präsidentin des Vorstands und Hauptaktionärin darauf bestehen können.
    Trent konnte sie nicht entlassen, aber er hatte sämtliche Mittel angewandt, um sie dazu zu bringen, von sich aus zu kündigen. Es machte ihm offenbar Freude, ihr die Aufgaben zu geben, die niemand sonst übernehmen wollte, die anstrengendsten Kunden, die Nachtflüge und die miesesten Flugplätze. Wahrscheinlich hatte er sich heute wieder etwas besonders Unangenehmes für sie ausgedacht. Aber er würde schon noch merken, dass ihr nichts zu schwierig war.
    Der Fahrstuhl hielt im zweiten Stock, und zwei Frauen in maßgeschneiderten Kostümen stiegen zu. Ihre Dienstmarken wiesen sie als Angestellte der HAMC aus. Beide musterten Lauren abschätzig von oben bis unten, sodass sie beinahe wünschte, sie hätte ihre Pilotenuniform angezogen. Aber im Rock konnte sie schließlich nicht auf ihrer Harley fahren. Vielleicht hatte ihr Bruder diesen beiden Frauen sogar nahegelegt, Lauren das Berufsleben schwer zu machen, aber so schnell war sie nicht einzuschüchtern.
    Noch nie war sie jemandem begegnet, der sie hasste. Und nun waren nicht nur die Angestellten ausgesprochen kühl zu ihr. Auch drei ihrer vier Halbgeschwister schienen sich zu wünschen, dass sie einfach verschwinden würde. Eigentlich konnte man ihnen das nicht einmal verübeln. Lauren war schließlich der lebende Beweis für die Untreue der Mutter. Jacqueline Hightower war es gelungen, dieses peinliche kleine Geheimnis namens Lauren fünfundzwanzig Jahre lang in einem anderen Teil der USA zu verstecken.
    Der Fahrstuhl hielt im neunten Stock, die Tür glitt auf, und die beiden Frauen stolzierten hinaus. Als die Fahrstuhltüren sich wieder schlossen, hätte Lauren am liebsten den Knopf für das Erdgeschoss gedrückt. Vielleicht sollte sie zurück nach Florida gehen und ihre neue Familie vergessen. Aber leider waren die Hightowers die einzigen Verwandten, die sie noch hatte. Sie musste sich zusammenreißen, der Erinnerung an ihren verstorbenen Vater zuliebe. Er war Pilot bei Falcon Air gewesen, und sie wollte unbedingt herausfinden, was es mit seinem Tod auf sich hatte. Dahinter steckte ein Geheimnis, und das konnte nur ihre Mutter aufklären.
    Hatte er sich umgebracht, oder war der Absturz ein Unfall gewesen? Ihre Mutter hatte als Letzte mit ihm gesprochen. Wenn er etwas so Entsetzliches vorgehabt hätte, dann hätte er Jacqui, wie er Jacqueline immer genannt hatte, doch irgendwelche Hinweise gegeben. Aber Jacqui schwieg.
    Lauren wollte nicht glauben, dass ihr Vater sich das Leben genommen hatte, aber die Alternative sah noch schlimmer aus. Sie selbst hatte ihm bei der Entwicklung und dem Bau des kleinen Flugzeugs geholfen, mit dem er abgestürzt war. Wenn das Unglück passiert war, weil ein Teil der Ausrüstung versagt hatte, dann war sie mitschuldig an seinem Tod.
    Kummer und Schuldgefühle machten ihr das Herz schwer. Dennoch hob sie den Kopf und straffte die Schultern. Die Fahrstuhltüren glitten auseinander, und Lauren trat auf die Vorstandsetage hinaus. Ein paar Mal atmete sie tief durch, um sich auf eine unerfreuliche Begegnung vorzubereiten.
    Das tue ich nur für dich, Daddy .
    Sie legte die Lederhandschuhe in den Motorradhelm. Die Absätze ihrer derben Stiefel versanken in dem weichen Teppich, auch das ein Zeichen, dass sie nicht mehr in Daytona war. Dieser luxuriöse Wolkenkratzer hatte absolut nichts mit dem zugigen Hangar und dem kalten Zementboden in Florida gemein, wo sie aufgewachsen war.
    Während sie den Reißverschluss ihrer Jacke aufzog, ging sie mit einem strahlenden Lächeln auf die „Sphinx“ zu, wie sie die Chefsekretärin insgeheim nannte. Wenn sie es doch nur schaffen könnte, deren Gesichtsausdruck ein einziges Mal zu verändern! Aber auch diesmal hatte sie damit keinen Erfolg. Die Sphinx könnte sich ihren Lebensunterhalt glatt mit Poker verdienen.
    „Hallo,
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