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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition)
Autoren: T.C Boyle
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unbeholfen, vom Gewicht her ungünstig verteilt. Trotzdem sauste ich in der Strömung voran, im Kopf nur einen einzigen Gedanken: Jordy. Es würde verteufelt schwer werden, stromaufwärts zurückzupaddeln, aber wir wären ja dann zu zweit, und ich dachte immer wieder daran, wie dankbar sie mir sein müßte, daß ich sie da rausholte, viel dankbarer, als wenn ich einen Tausender für sie geboten und sie drei Abende hintereinander zum Steakessen eingeladen hätte. Dann aber geschah etwas Erstaunliches: der Himmel wurde eisgrau, und es begann zu schneien.
    So früh im Jahr gibt es einfach keinen Schnee, niemals, oder jedenfalls kaum je. Aber so war es nun mal. Der Wind heulte durch die Rinne des Flusses, knallte mir diese trockenen kleinen Eiskügelchen ins Gesicht, und jetzt merkte ich erst, wie dumm ich mich verhalten hatte. Ich war schon gut drei Kilometer flußabwärts von Boynton, und obwohl ich einen dünnen Parka und Handschuhe dabeihatte, außerdem etwas Käse, Brot, ein paar Coca, so was eben, war ich auf einen Wetterumschwung im Grunde nicht vorbereitet. Es kam überraschend, echt überraschend. Natürlich war ich da noch sicher, es wäre bloß ein kurzer Temperatursturz – ein bißchen Schnee, der einen Tag lang den Boden weiß macht und dann wieder wegschmilzt –, dennoch fühlte ich mich ziemlich blöd da draußen auf dem Fluß ohne richtigen Wetterschutz und fragte mich auch langsam, wie Jordy das sehen würde, wo ihr doch die vielen Namen für Schnee im Kopf herumgingen, und auch wie kreuzunglücklich sie in diesem Moment sein mußte, in Buds Drecksloch von Hütte, kein Entkommen, und der Schnee kam herunter wie lebenslänglich, also legte ich mich voll ins Paddel.
    Es war längst dunkel, als ich um die letzte Flußbiegung trieb und durch den Vorhang des fallenden Schnees die Lichter der Hütte sah. Ich hatte jetzt Parka und Handschuhe an und muß ausgesehen haben wie ein Schneemann, der da aus dem weißen Kuvert des Kanus emporragte, und ich spürte die Eiskristalle in meinem Bart, wo der Atem vor meinen Nasenlöchern gefror. Ich roch den Rauch eines Holzfeuers und sah in den dunkel dahinziehenden Himmel hinauf. War ich wütend? Eigentlich nicht. Noch nicht. Bis dahin hatte ich kaum darüber nachgedacht, was ich unternehmen wollte – es erschien mir alles so einleuchtend. Dieser Dreckskerl hatte sich Jordy gekrallt, ob nun unter Vorspiegelung falscher Tatsachen oder nicht, und die süße Jordy mit Emily Brontë unterm Arm hätte sich in ihren wildesten Träumen nicht vorgestellt, in was sie da hineingeraten war. Niemand konnte mir etwas vorwerfen. Alle Anzeichen sprachen dafür, daß Bud sie entführt hatte. Ja, entführt hatte er sie.
    Trotzdem, als ich dann wirklich dort war, als ich den Rauch roch und die Lampen brennen sah, wurde ich auf einmal verlegen. Ich konnte ja schlecht hereinplatzen und verkünden, daß ich gekommen war, sie zu erretten, oder? Und so zu tun, als wäre ich rein zufällig in der Gegend, ging auch nicht... Außerdem war das da drin Bud, und der war ohne Frage so wild wie eine Klapperschlange, die fühlt, daß sich ihr eine Hand um den Hals schließt. Wie man es auch sah, ihm würde das hier ganz und gar nicht gefallen.
    Also zog ich das Kanu etwa hundert Meter von der Hütte entfernt ans Ufer, das Kratzen der Steine wurde vom Schnee gedämpft, und schlich mich an, so vorsichtig, wie es ein großer Mann eben sein kann – ich wollte Buds Hund nicht aufschrecken und die Sache verpatzen. Aber genau da lag das Problem, das wurde mir klar, während ich durch den Schnee tappte wie eine zum Leben erwachte Eisplastik: was gab es denn hier überhaupt noch zu verpatzen? Mir fehlte jeder Plan. Ich hatte nicht einmal den Ansatz eines Plans.
    Letzten Endes unternahm ich den logischen Schritt: ich schlich mich ans Fenster und spähte hinein. Zuerst sah ich nicht allzuviel, weil die Scheibe total verdreckt war, dann aber rieb ich vorsichtig mit dem nassen Handschuh daran, und die Dinge bekamen langsam Konturen. Der Ofen in der Ecke bollerte, ein Flammenmaul schoß aus dem geöffneten Türchen, was einen echten Kamineffekt erzielte. Neben dem Ofen war ein Tisch mit einer Flasche Wein und zwei Gläsern drauf, eins halbvoll, und nun sah ich auch den Hund – das Vieh sah nach einem Alaskan Malamute aus –, der unter dem Tisch schlief. Es standen diverse selbstgezimmerte Möbel herum – eine Art Couch, über die eine alte Einzelmatratze geworfen war, und zwei primitive Stühle aus krummen
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