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Die Tiere in meiner Arche

Die Tiere in meiner Arche

Titel: Die Tiere in meiner Arche
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
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Der Anfang

    Auf die eine oder andere Art habe ich mein Leben lang mit Zoologischen Gärten zu tun gehabt. Schon im frühen Alter von zwei Jahren hatte mich eine wahre Zoo-Manie gepackt. Wir lebten damals in einer Stadt mitten in Indien, und diese Stadt rühmte sich eines Tiergartens, der nur mit viel gutem Willen als Zoo bezeichnet werden konnte. Zweimal am Tag, wenn meine geplagte Ayah mich fragte, wohin wir unseren Spaziergang machen sollten, schleppte ich die Ärmste durch die Reihen stinkender Käfige mit ihren mottenzerfressenen Schaustücken. Jeder Versuch von ihr, dieses Ritual zu durchbrechen, wurde von mir mit einem Wutgeheul quittiert, das im Süden sicher bis Bombay und im Norden bis zur nepalesischen Grenze zu hören gewesen sein muß. Da war es für mich eigentlich keine Überraschung, von meiner Mutter zu hören, daß das erste Wort, das ich mit einiger Deutlichkeit aussprechen konnte, >Zoo< hieß. Und seitdem habe ich es immer und immer wieder gesagt — oft mit Entzücken und oft mit Verzweiflung.
    Dieses frühe Erlebnis löste in mir den Wunsch aus, meinen eigenen Zoo zu haben. Im Alter von zwei bis sechs Jahren sammelte ich von der Elritze bis zur Bohrassel alles, was ich finden konnte, bis in meinen Hosentaschen und in meinem Zimmer kaum noch Platz war. Mit Eifer bereitete ich mich auf den Tag vor, an dem ich meine eigene Tiersammlung besitzen würde. Dann übersiedelten wir nach Griechenland. Dort lebte ich in herrlicher Freiheit und konnte mich meiner Leidenschaft, wilde Tiere zu halten und zu studieren, ungehindert hingeben. Vom Uhu bis zum Skorpion war nichts vor mir sicher. Später, als wir nach England zurückkehrten, wurde mir klar, daß ich auch Erfahrungen im Umgang mit größeren Tieren haben mußte, wenn ich je einen eigenen Zoo gründen wollte. Doch Löwen, Büffel und Giraffen lassen sich beim besten Willen nicht mehr im Garten, im Zimmer oder gar in Hosentaschen unterbringen.
    Ich bewarb mich also um eine Arbeit beim Whipsnade-Zoo, dem Gelände der Zoological Society of London in Bedfordshire. Ich hatte Glück und bekam einen Job als Lernpfleger. Der grandiose Titel bedeutete nichts anderes, als daß ich der Junge für alles war, der von einer Abteilung zur anderen geschoben wurde, je nachdem, wo man für die Schmutzarbeit Hilfe brauchte. In vieler Hinsicht war das eine ideale Ausbildung; sie lehrte mich nämlich, daß die Arbeit mit Tieren zum größten Teil mühsam und schmutzig ist; sie vermittelte mir aber auch den Kontakt mit einer Reihe wunderbarer Geschöpfe, vom Emu bis zum Elefanten. Nachdem ich Whipsnade verlassen hatte, brachte ich die folgenden zehn Jahre damit zu, Tiere zu sammeln. Ich finanzierte und leitete zehn größere Expeditionen, um in verschiedenen Teilen der Welt Tiere für Zoologische Gärten zu erwerben.
    Während meiner Zeit in Whipsnade und während meiner frühen Expeditionen erwachten in mir die ersten Zweifel an der Institution Zoologischer Gärten. Es waren nicht etwa Zweifel an ihrer Existenzberechtigung; ich glaubte damals, und ich glaube es noch heute, daß Zoologische Gärten sehr wichtige Einrichtungen sind. Meine Zweifel galten vielmehr der Art und Weise, wie manche Zoos geführt wurden, und sie galten vor allem der Richtung, an der sich die meisten Zoodirektoren orientierten: im Zoo eher einen Vergnügungspark als eine Stätte wissenschaftlicher Arbeit zu sehen. Bis zu dem Tag, als ich in Whipsnade anfing, hätte ich — zoobegeistert wie ich war — nicht gewagt, an einem Zoo auch nur die leiseste Kritik zu üben. Doch meine Erfahrungen in Whipsnade und später auf meinen Expeditionen, auf denen ich eine große Anzahl Zoologischer Gärten kennenlernte, weckten in mir eine immer stärker werdende Beunruhigung. In dem Maße, wie meine Erfahrungen Zunahmen, wuchs auch meine Überzeugung, daß es in den Durchschnittszoos nicht nur eine Menge zu kritisieren gab, sondern daß es in der Tat auch wirklich kritisiert werden mußte, wenn die Zoologischen Gärten als die wertvollen Institutionen, die ich in ihnen sah, aus der Stagnation herausgeführt werden sollten, in die die meisten von ihnen offenbar versunken waren oder aus der sie seit ihrer Gründung nie herausgefunden hatten. Doch es ist billig, einen Seiltänzer zu kritisieren, wenn man nie selbst auf dem Seil gestanden hat, und deshalb war ich nun entschlossener denn je, meinen eigenen Zoo zu gründen.
    Die Geringschätzung, die sich die Zoos in der öffentlichen Meinung eingehandelt hatten,
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