Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)

einfach, scheiß drauf zu sagen, verstehst du? Spielt sowieso alles keine Rolle.«
    »Es muss aber eine Rolle spielen«, beharrte Dignon.
    »Diese Lüge wird uns dauernd erzählt. Die Wahrheit lautet aber, dass es die Hölle gibt, und sie ist genau hier auf der Erde. Ich hab sie gesehen. Nun mag’s auch einen lieben Gott geben und auch einen Himmel, aber bis wir dorthin kommen, sind wir hier unten auf uns alleine gestellt. Es gibt kein Richtig oder Falsch, das war noch nie so und wird nie so sein. Es gibt nur den Scheiß, den wir tun, und den Scheiß, den wir nicht tun. Was wir vertragen können, was nicht, und wie viel davon. Nimm mich. Glaubst du, es interessiert irgendjemanden einen Dreck, dass ich mein Bein verloren habe – mein beschissenes Bein, Mann? Ich war neunzehn Kackjahre alt, hätte stoned sein und jedes Mädel poppen sollen, das lange genug stehen blieb. Stattdessen liege ich mit dem Gesicht nach unten in einer Pfütze aus Schlamm, Blut, Zähnen und Haaren, und dort, wo mein Bein früher war, hängen Fasern und Knochen und so raus. So viel Tod und Wahnsinn – und für was? Kannst du mir das sagen, Alter, für was? Für einen Haufen fetter, reicher, alter weißer Männer, die irgendwo sitzen – dafür. Die sagen: Lauf! Und wir rennen los, wie abgerichtet. Sie werden fetter und reicher. Leute wie ich werden, wenn sie Glück haben, dünner. Verlieren einen Arm oder ein Bein oder sogar beides. Falls nicht, werden wir verrückt oder sterben. Dann kommen die ganzen Fernsehberichte, die Reden, die Anhörungen vor’m Senat, das Gerede und Rumgeweine, die Ordensverleihungen, Filme, Bücher, die beknackten T-Shirts und Benefizkonzerte. Und der restliche Quatsch, den zivilisierte Leute unternehmen, um sich davon zu überzeugen, dass ihnen die Sache wirklich am Herzen liegt. Wenn das alles vorbei ist, hat sich aber nichts geändert. Glaubst du, ich übertreibe, mein Junge? Schau mal in ’nem Veteranenkrankenhaus vorbei. Noch besser: Frag zehn Leute auf der Straße, wo eins ist. Sag den armen Teufeln da drin, dass es jemanden kümmert, was mit ihnen los ist. Komm schon, trau dich! Sag ihnen, dass ihr Leben und ihre ›Opfer‹ irgendwas bedeuten. Gib ihnen ein paar passende Autoaufkleber oder sammle Geld für sie, darüber werden sie sich verdammt freuen. Keiner interessiert sich einen Scheiß für irgendwas. Nicht für die Veteranen, nicht für dich, nicht für mich, nicht für diese Kinder.«
    »Na, jetzt fühle ich mich besser, du deprimiertes Arschloch.«
    ...

Greg F. Gifune

    www.gregfgifune.com
    Greg F. Gifune (geb. 1963) gilt als einer der besten Thrillerautoren seiner Generation. Er hat bereits 15 Romane veröffentlicht. Ihr dunkel-melancholischer Ton hat ihm unter Kritikern und Lesern fanatische Fans gesichert. Er lebt mit seiner Frau und einer ganzen Schar Katzen in Massachusetts/USA.
    Greg F. Gifune bei FESTA:
    Blutiges Frühjahr – Die Einsamkeit des Todbringers – Sag Onkel

Impressum
    Die amerikanische Originalausgabe Saying Uncle erschien 2008 im Verlag Delirium Books.
    Copyright © 2008 by Greg F. Gifune
    © dieser Ausgabe 2012 by Festa Verlag, Leipzig
    Titelbild: iStockphoto.com
    Alle Rechte vorbehalten
    eISBN 978-3-86552-179-8
    www.Festa-Verlag.de