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Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)

Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)

Titel: Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)
Autoren: Greg F. Gifune
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staunte, wie intelligent er war, obwohl er nie eine ordentliche Schulbildung erhalten hatte. Und dass er mir Tipps gab, wie ich mich selbst verteidigen konnte, nachdem mir ein Streithahn in der Schule meine nagelneue Charlie-Brown-Butterbrotdose auf dem Kopf zerschlagen hatte. Ich kann mich erinnern, wie er mit meiner Mutter herumalberte – sie ergriff, wenn ein bestimmtes Lied im Radio kam, und wie sie Arm in Arm durch die Küche tanzten und lachten, während Angela und ich vergnügt zusahen, aufgeregt, einen der wenigen Momente zu erleben, in denen meine Mutter einfach glücklich zu sein schien, am Leben zu sein.
    Natürlich vergötterte ich meinen Onkel. Also verbrachte ich einen guten Teil meiner verbleibenden Kindheit mit dem Versuch, ihm zu gefallen und seine Anerkennung zu erringen.
    »Der Unterschied zwischen einem Jungen und einem Mann ist, dass ein Mann immer wieder aufsteht, wenn er niedergeschlagen wird«, pflegte er zu sagen. »So ist das im Leben, Andy, niedergeschlagen werden und lernen, wieder auf die Füße zu kommen. Es ist keine Schande, zu Boden zu gehen, aber man darf nie unten bleiben . Krieg deinen Hintern hoch und schlag zurück. Es ist nicht leicht, ein Mann zu sein, doch was bleibt uns anderes übrig?«
    Nie hat jemand wahrere Worte gesprochen.
    Ich war fünfzehn, als sich alles für immer änderte. Die Ereignisse dieses Sommers trugen dazu bei, mich als Mensch zu formen und als Erwachsenen zu festigen, rissen aber auch Wunden ins Herz unserer Familie, die nie wieder vollständig heilten. Bei keinem von uns.

2
    Der Raum war kalt und steril und roch antiseptisch.
    Auf zittrigen Beinen näherte ich mich dem Tisch des Gerichtsmediziners und starrte hinunter in die erloschenen Augen des Onkels. Ich war erschrocken, sie offen zu sehen, starr und blicklos und von einem seltsamen Film bedeckt. Über den oberen Teil seines Kopfs und der Stirn war ein weißes Handtuch gebreitet. Offensichtlich wollte man mir den Anblick der Schädelverletzung ersparen, die er erlitten hatte.
    Er war wesentlich älter, als ich ihn in Erinnerung hatte, seine Haut schlaffer und die Linien in seinem Gesicht schärfer. Das Haar an den Schläfen war grau meliert, ebenso die Stoppeln an seinem Hals und Kinn. Er hatte sich an dem Tag, an dem er starb, offensichtlich nicht rasiert, und das erschien mir vollkommen untypisch für ihn. Zumindest für die Version von ihm, die ich gekannt hatte.
    Dann fiel mir ein, dass das Haar nach dem Tod weiterwächst, also war es vielleicht ...
    »Geht es Ihnen gut?«
    »Ja.« Ich wandte mich von Onkel ab und richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf den mürrisch blickenden Kriminalbeamten. »Er ist es.«
    Der Kriminalbeamte nickte. Ein Mann im weißen Laborkittel, von dem ich ganz vergessen hatte, dass er da war, schob die Leiche zurück in den Kühlraum.
    »Ich weiß, dass das eine schwierige Situation ist«, sagte der Kriminalbeamte, »aber ich brauche Ihre Unterschrift auf ein paar Dokumenten, dann lasse ich sie gehen.«
    Wir traten zurück in den schwach erleuchteten Korridor. »Können Sie mir sagen, was passiert ist?«
    »In dem Fall wird noch ermittelt, also kann ich Ihnen im Moment noch keine Einzelheiten mitteilen.« Er zögerte, und eine unbehagliche Stille breitete sich aus. »Aber ich kann Ihnen das Grundlegende sagen.«
    Bilder von Onkels Totenmaske tauchten vor meinem geistigen Auge auf. »Das Grundlegende habe ich gerade gesehen.«
    Meine Frau hat mich einmal als Heliumballon bezeichnet, der über die Landschaft schwebt und gelegentlich weit genug herunterkommt, um den Boden zu berühren, aber immer wieder in die Luft zurückkehrt, bevor man seinen Landeplatz lokalisieren kann. Das war ihre Art, mir zu sagen, dass ich mich mehr wie ein Zuschauer als wie ein tatsächlich am Leben Beteiligter verhielt. Im Nachhinein vermute ich, dass sie recht hatte. Ich spielte eine Rolle, die ich sehr früh angenommen hatte, obwohl ich im Sommer 1979 – im Alter von fünfzehn – noch nicht wusste, wieso.
    Außer Desmond Boone, der mein Kumpel war, seit wir die erste Klasse besuchten, hatte ich wenige Freunde. Ich war nicht gut darin, Kontakte zu knüpfen. Den Großteil meiner Freizeit verbrachte ich damit, auf einer tragbaren Schreibmaschine herumzuhämmern, die mir Onkel zu meinem dreizehnten Geburtstag geschenkt hatte. Während die meisten Kinder in meinem Alter die Sommermonate am öffentlichen Strand verbrachten oder Sport trieben, schlug ich entweder mit Desmond, den ich nur Boone
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