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Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)

Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)

Titel: Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)
Autoren: Greg F. Gifune
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nannte, die Zeit tot oder hing über den Picknicktisch im Garten gebeugt und schrieb Geschichten. Obwohl ich keine Ahnung hatte, warum ich Schriftsteller werden wollte, schien das einfach zu passen, wie eine schäbige alte Jacke. Ich verfolgte dieses Ziel mit Feuereifer. Ich schrieb fast jeden Tag, manchmal stundenlang. Boone mochte meine Geschichten, und er war der einzige Mensch auf Erden, der überzeugt war, dass ich eines Tages ein berühmter Schriftsteller sein würde.
    Allerdings glaubte der arme Boone – als der loyale und hingebungsvolle Freund, der er war – an eine Menge alberner Dinge, darunter wohl auch an mich. Er kam aus einer zerrütteten Familie und wurde von seinem alkoholabhängigen Vater verbal fertiggemacht, der mit besonderem Vergnügen darauf herumritt, was für eine maßlose Enttäuschung Boone sei und dass er es nie so weit wie sein älterer Bruder Jonathan bringen würde, ein Vorzeigeathlet, der nicht ein Viertel von Boones Intelligenz besaß, aber gut Bälle werfen konnte und daher ironischerweise wie eine höhere Lebensform behandelt wurde.
    Ich selbst war immer ein annehmbarer Sportler gewesen, aber ich nahm das alles nicht so ernst. Während ich ruhig und eher introvertiert war, verteidigte sich Boone mit Humor und suchte Trost im Essen. Ich blieb meist für mich selbst, er riss Witze und zog die Aufmerksamkeit auf sich. Ich war dünn und drahtig, er ziemlich dicklich. Boone war groß für sein Alter, ein grobknochiges Kind mit einem Wust zerzauster, rotbrauner Haare, verblüffend blauen Augen und einem runden, sommersprossigen Gesicht. Ich war für mein Alter ein bisschen zu klein, mit dunklen Haaren und Augen und gab mich eher grüblerisch. Wir ergänzten einander gut. Ebenso wie ich wurde er von fast allen anderen meistens ignoriert, und jeder von uns erkannte im anderen bestimmte Eigenschaften, die ihm selbst fehlten, was vermutlich der Grund ist, warum wir so gut miteinander auskamen und im Laufe der Zeit die besten Freunde wurden.
    In den Sommermonaten verdienten Boone und ich uns ein wenig Taschengeld, indem wir in ein paar Gärten in der Nachbarschaft den Rasen mähten und Unkraut jäteten. Wir begannen früh am Morgen mit der Arbeit, um mittags fertig zu sein, bevor die Luftfeuchtigkeit unerträglich wurde. Also blieb uns danach ein wenig Zeit, bei Mickey’s, einem Imbiss in der Innenstadt, etwas von unserem Verdienst für Cheeseburger und Frappes auszugeben und Pläne für den Rest des Tages zu machen.
    Normalerweise gingen wir zuerst in das Kaufhaus, liefen dann kurz in die Bücher- und Zeitschriftenabteilung im hinteren Teil des Geschäfts, damit sich Boone die neuesten Comics schnappen und ich das Regal mit den Taschenbüchern durchsehen konnte. In jenem Sommer stand ich auf Abenteuerromane von Alistair MacLean und kaufte und las fast jede Woche einen Band. Boone war ein Captain-America-Fan, er hatte seit Jahren keine Ausgabe verpasst. Wenn in dem Laden alles erledigt war, fuhren wir meistens mit dem Rad zum Strand, schwammen kurz und radelten anschließend zurück zu mir.
    Schließlich, nachdem wir ein paar Platten gehört oder eine Weile geredet hatten, setzte ich mich mit meiner Schreibmaschine an den Gartentisch und arbeitete an einer neuen Geschichte, während mir Boone still gegenübersaß, sein Comicheft las und auf meine nächste Geschichte wartete.
    Das ist meine liebste Erinnerung an Desmond Boone. Die gemeinsame Zeit an diesem Gartentisch, in der Sommersonne, glücklich, einfach zusammen zu sein.
    An dem Tag, an dem alles anfing, hatten Boone und ich die Rasen gemäht, unser Geld kassiert und unsere übliche Runde zum Imbiss und zum Kaufhaus gedreht und waren auf dem Heimweg zu ihm, damit er sein neuestes Comicheft einsortieren konnte. Er verwahrte sie alle sorgfältig gestapelt und geordnet in einer Reihe von Pappschachteln unter seinem Bett. Weil die Ausgabe, die er an diesem Tag gekauft hatte, eine Sonderausgabe war, bestand Boone eisern darauf, sie sicher in seinem Zimmer zu verstauen, bevor ihr etwas passierte.
    Boone wohnte nur ein paar Straßen von uns entfernt, aber in unserer Nachbarschaft sahen alle Häuser ziemlich gleich aus: Reihen von kleinen, bescheidenen Häuschen mit winzigen Vorgärten und etwas größeren Gärten hinterm Haus. Es war eine Gegend für die Arbeiterklasse mit niedrigerem Einkommen, in der die meisten Leute in gemieteten Häusern wohnten und keine eigenen besaßen. Ich nehme an, dass Boone ebenso arm war wie wir, aber damals war
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