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Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)

Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)

Titel: Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)
Autoren: Greg F. Gifune
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Natürlich war Boone gedemütigt, und ich war seinetwegen beschämt, aber das war ein für seinen Vater typisches Verhalten, und so unerfreulich es war, so hatten wir uns doch an diesen betrunkenen Unfug gewöhnt.
    »Ein großes Kind wie du sollte Football spielen.« Sein Vater hustete und würgte einen Klumpen Schleim hoch und spuckte ihn uns vor die Füße. »Na los, haut ab«, sagte er und ließ sich auf die unterste Stufe fallen. »Nicht, dass du je eine Mahlzeit verpassen würdest, du fetter Bastard, aber sei zum Abendessen zurück. Deine Mutter macht einen Hackbraten.«
    »Okay, bis später, Dad«, sagte Boone, als sei die Welt in Ordnung. Er winkte seinem Vater kurz zu, und wir drehten uns gemeinsam um und gingen in die Richtung zurück, aus der wir gekommen waren.
    »Tut mir leid«, sagte er, kaum dass wir außer Hörweite waren.
    Ich klopfte ihm auf die Schulter während wir weitergingen. »Mach dir keine Gedanken, Mann.«
    Wir waren beide eine Weile still, gingen in Gedanken weiter, oder versuchten vielleicht, wenigstens für den Augenblick überhaupt nichts zu denken.
    »Also«, sagte Boone schließlich, »hast du den mit dem Liliputaner gehört, der eine Giraffe vögelt?«
    Ich lachte, und sein Gesicht hellte sich auf, Schmerz und Scham verschwanden daraus und machten Schicksalsergebenheit Platz.
    Boone ging nonchalant zur Straßenmitte, drehte sich um, sah mich an und grinste schadenfroh. »Weißt du, wie spät es ist?«
    »Oh … nein.«
    Er nickte und nahm plötzlich eine komische Haltung ein, die an Elvis Presley erinnerte. Es war nur eine der übertrieben komödiantischen Imitationen in seinem Repertoire, aber die, die er für die Momente aufbewahrte, in denen wir am dringendsten ein Lachen brauchten. »Ladys und Gentlemen … Elvis oben ohne. «
    »Oh Gott – nein! «
    Boone streifte sein Hemd ab, warf es in meine Richtung und verwandelte sich augenblicklich in Elvis. Er schwenkte die Hüften und sang in seine geballte Faust. Als ich hysterisch lachte, hörte er so plötzlich auf zu singen, wie er angefangen hatte, und zeigte auf mich. »Was zur Hölle ist los mit dir, Junge?«, sagte er, in einer bösen Elvis-Stimme. »Deine Titten sind größer als die von deiner Mama! Toll – vielen Dank!«
    Ich musste so lachen, dass mir die Tränen kamen. »Hör auf, Mann, ich kriege keine Luft mehr.«
    Boone winkte einer Menge zu, die nur er sehen konnte, schlenderte in die Richtung, in der sein Hemd gelandet war, und zog es wieder an. »Komm, lass uns sehen, dass wir hier wegkommen, bevor ich das noch mal mache.«
    Wir verbrachten den Rest des Nachmittags in unserem Garten, redeten, hingen herum, lachten, waren einfach Kinder. Kinder auf der Schwelle zu etwas anderem, denn trotz der hässlichen Begegnung mit Boones Vater war dies der letzte Tag, an dem ich wirklich Kind war. Wo Kindsein existieren kann, muss es auch Unschuld geben, und unsere Unschuld – meine und Angelas Unschuld – sollte schon sehr bald eines schrecklichen, gewaltsamen Todes sterben.
    Im Sommer 1979 war Angela, nur wenige Monate nach ihrem zwölften Geburtstag, bereits wesentlich weiter als ich. Sie besaß Schönheit, Klugheit, eine angeborene Sensibilität und ein geselliges Wesen, das andere anzog. Sie war eine hervorragende Schülerin und sowohl bei ihren Mitschülern als auch bei ihren Lehrern sehr beliebt. Obwohl sie noch ein Kind war, schaffte sie es, die Unschuld der Jugend mit dem gesunden Menschenverstand zu vereinen, der normalerweise nur in wesentlich fortgeschrittenerem Alter zu finden ist. Wir hatten uns immer gut verstanden und über alles gesprochen. Obwohl das so blieb, als wir langsam Teenager wurden, veränderte sich etwas in unserer Beziehung, eine Machtverschiebung vielleicht, und als ich fünfzehn und Angela zwölf war, begannen alle Hoffungen und Träume, die Onkel und meine Mutter hegten, fast ausschließlich um sie zu kreisen.
    Das war manchmal bitter zu schlucken, ergab aber durchaus Sinn. Ich wollte Schriftsteller werden, und obwohl sie mich beide darin bestärkten und mich auf ihre eigene Weise unterstützten, wusste ich, dass sie meinen Traum auch häufig als genau das abtaten – als einen Traum –, etwas, das irgendwann der Realität würde weichen müssen. Angela wollte Anwältin werden. Diese Laufbahn lag nicht nur im Bereich des Möglichen, sie war wahrscheinlich. Sie war real.
    »Immer auf den Favoriten setzen«, sagte Onkel häufig. »Es hat seinen Grund, warum Außenseiter Außenseiter sind, Andy.
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