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Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)

Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)

Titel: Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)
Autoren: Greg F. Gifune
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etwas sagen, aber stattdessen wandte sie den Blick ab, als hätte sie die Worte vergessen.
    »Was ist passiert?«
    »Nichts«, sagte sie leise.
    »Du bist ganz schmutzig.«
    Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und steckte sie mit übertriebener Sorgfalt hinter dem Ohr fest. Die gezierte Bewegung wirkte verlegen und ungewohnt, als hätte sie sie von jemand anderem ausgeliehen und würde sie zum ersten Mal ausprobieren. Ihr Gesichtsausdruck war der eines Menschen, für den die Welt ohne Vorwarnung zu einem fremden, verstörenden Ort geworden ist.
    »Ich habe auf dem Weg vom Strand die Abkürzung genommen«, sagte sie, was erklärte, wieso sie zwischen den Bäumen hinter dem Haus aufgetaucht war. »Ich bin hingefallen.«
    Mir fiel auf, dass der Träger ihres Badeanzugs gerissen war und dass sie ihn zusammengeknotet hatte, um ihn wieder zu befestigen. »Lass Mom das lieber nicht sehen, Badeanzüge sind teuer.«
    Angela nickte grimmig und schob ihre zitternde Unterlippe vor.
    »So wütend wird sie schon auch wieder nicht sein, Angie«, tröstete ich. »Du musst nicht weinen.«
    Sie drehte sich ohne eine Antwort um und ging zur Hintertür. Ich schaute ihr nach, wie sie den Garten durchquerte, und mir fiel auf, dass sie sich recht vorsichtig bewegte. »Hast du dir wehgetan, als du hingefallen bist?«, rief ich ihr nach. »Geht es dir wirklich gut?«
    Sie schlich ins Haus wie ein Zombie, die Augen geradeaus gerichtet, die Arme leblos herabhängend. Ich ging ihr nach, um mich zu vergewissern, dass ihr nichts fehlte, doch bis ich die Papiere eingesammelt und meine Schreibmaschine hineingetragen hatte, war Angela bereits unter der Dusche verschwunden.
    Ich fand meine Mutter am Küchentisch vor, wo sie mit dem Scheckbuch und Kassenbelegen hantierte.
    »Mom, ich glaube, Angela geht’s nicht gut.«
    »Was ist, Schatz?«, sagte sie abwesend, die Nase noch immer im Scheckbuch vergraben. »Die blöden Dinger stimmen nie mit den Kontoauszügen überein. Nie.«
    »Angela«, sagte ich noch einmal.
    »Sie ist mit ihren Freunden zum Strand gegangen.« Sie starrte weiter auf die Zahlen, ein Stift hing in ihrem Mundwinkel. »Wenn du duschen willst, Andy, tu es und lass das Wasser nicht einfach so laufen.«
    »Angela ist unter der Dusche, das versuche ich doch, dir zu sagen.«
    Sie klopfte mit dem Finger auf die Aufstellung. »Aha! Den habe ich übersehen, ich wette, darum konnte ich nicht …«
    »Mom«, sagte ich, diesmal lauter. »Du hörst mir ja überhaupt nicht zu.«
    Sie lehnte sich zurück, warf mir einen genervten Blick zu. »Liebling, was ist los? Siehst du nicht, dass ich beschäftigt bin?«
    »Ich sagte, ich glaube, Angela ist schlecht.«
    »Angela?« Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich, als warte sie auf eine Übersetzung meiner Worte in ihre Muttersprache. »Warum, was ist los?«
    »Sie ist gerade vom Strand zurückgekommen und benimmt sich ganz komisch.«
    Meine Mutter schob das Scheckbuch und den übrigen Papierkram beiseite, rieb sich die Augen und unterdrückte ein Gähnen. »Wie komisch? Was meinst du mit komisch?«
    »Sie war ganz schmutzig und hat gesagt, sie wäre hingefallen. Sie hat irgendwie gehinkt.«
    »Angela ist hingefallen? Jesus, Andy, warum hast du mir das nicht gesagt? Geht es ihr gut?«
    »Ich weiß es nicht, ich meine – ja, ich glaube schon, aber – Mom, das versuche ich doch, dir zu sagen.«
    Statt mir zu antworten, lief sie durch den kurzen Korridor von der Küche zum Bad, in dem Angela duschte. Mit einem letzten, ungehaltenen Blick in meine Richtung schlüpfte sie hinein und schloss leise die Tür hinter sich.
    Ich saß am Tisch, wartete, lauschte, schwitzte in der furchtbaren Feuchtigkeit und kämpfte mit einer Flut von Gedanken, die meinen Verstand blockierte.
    Nach einer Weile wurde die Dusche abgestellt, und ich hörte gedämpfte Stimmen. Ich stand auf und ging langsam zum Ende des Flurs, als sich die Tür zum Badezimmer öffnete. Meine Mutter streckte den Kopf heraus. In ihren Augen standen Tränen.
    »Mom?«, fragte ich hilflos. »Was ist los?«
    »Ruf Onkel an«, sagte sie. »Sag ihm, er soll herkommen, so schnell er kann.«
    »Ist Angela okay?«
    »Verdammt, Andy, mach doch, was ich dir sage!«
    Die Tür schloss sich, und ich stand wie belämmert da, während sich wieder Stille über das Haus senkte – eine schreckliche, unheimliche Stille.
    Nach kurzem Zögern ging ich zurück in die Küche und griff nach dem Telefon an der Wand.

4
    Es tat gut, wieder an die frische Luft zu
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