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Fuck the Möhrchen: Ein Baby packt aus Roman (German Edition)

Fuck the Möhrchen: Ein Baby packt aus Roman (German Edition)

Titel: Fuck the Möhrchen: Ein Baby packt aus Roman (German Edition)
Autoren: Barbara Ruscher
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1. Ich bin dann mal da
    Bin noch im Bauch. Draußen schreit eine Frau. Hört sich an wie Tina Turner auf Ecstasy.
    Will hier nicht raus.
    Sie schreit weiter.
    Will ihr sagen, mit Schreien erreiche man gar nichts. Jetzt schreit sie mich an. Heiße wohl PDA.
    Origineller Name, klingt nicht schlecht. Die Hebamme heißt Gudrun-Rudolf-Steiner Wiebkötter und sagt, für die PDA sei es schon zu spät.
    Ich horche auf.
    Muss raus und sehen, was da los ist.
    Vorsorglich packe ich mir ein Stück Mutterkuchen ein.
    Sehe Licht am Ende des Tunnels und warte auf den Bus.
    »Kommt mal wieder nicht, Fahrplanänderung oder wegrationiert, oder was ist hier los«, murmelt der Mutterkuchen, »scheiß Gesundheitsreform, gerade jetzt.«
    »Gemecker bringt jetzt auch nichts«, sage ich unwirsch, »wir müssen uns beeilen!«
    Doch er ist bockig und stellt sich tot.
    Ich aber kann jetzt keine Rücksicht nehmen und rutsche alleine und bauchwärts den Weg entlang. Komme kaum vorwärts, es ist viel zu eng hier drin und irgendwie unheimlich. Tatsächlich fühle ich mich wie im Dschungelcamp und rechne mit Spinnen, Emus und C-Prominenz.
    Plötzlich erfasst Luft mein spärliches Haar. Jemand nimmt meinen Schädel zwischen beide Hände. Wow. Geboren undsofort frisiert werden, ich gebe zu, dass mir diese Welt spontan gefällt.
    Schwupps bin ich draußen und mache die Augen auf.
    Als Erstes sehe ich einen bleichen Mann mit blutroter Nase, der am Boden liegt.
    Das ist der erste Mensch, den ich sehen kann, denke ich beglückt, und er ist mir auf Anhieb sympathisch. Nein, mehr noch, eine riesige Woge der Zuneigung überschwemmt meine kleine Seele.
    Wer um Himmels willen ist das?
    Vermutlich ein Krankenhausclown, der sich kurz ausruht, denke ich voller Anteilnahme. Plötzlich aber kommt Leben in ihn, und er ruft gerührt: »Ich bin dein Papa, da bissu ja endlich, meine kleine Prinzessin!«
    Großartig, denke ich, habe ich ein Glück, mein Papa scheint ein toller Kerl zu sein und noch dazu ein König – ich hätte es wirklich schlechter treffen können.
    Dann sehe ich mich erst mal in unserem Palast um und schreie entsetzt los, denn die Wände hat Gudrun-Rudolf-Steiner Wiebkötter in gebärmutterfarbenem Rosa gestrichen – zum Glück bin ich ein Mädchen, sonst müsste ich mit Sicherheit sofort schwul werden.
    Das nenne ich frühkindliche Prägung. Liebe Güte, wahrscheinlich werden Jungs in diesem Land direkt umgebracht.
    »Oder an katholische Priester in St. Pölten verkauft«, brummt der Mutterkuchen, der mittlerweile auch den Weg nach draußen gefunden hat.
    Alle schauen mich liebevoll an und weinen, nur die Anthroposophen-Hebamme nicht. Spontan beschließe ich, sie zu hassen, da richtet sich eine Kamera auf mich, und alle weinen weiter, die hören gar nicht mehr auf zu weinen, offensichtlich bin ich hässlich. Vielleicht bin ich aber auch dieWiedergeburt von Elvis. Schreie direkt ein »Muss i denn, muss i denn ...« auf einem einzigen Vokal.
    Das hat vor mir anscheinend noch keiner gemacht, denn es kommt enorm gut an, sogar mein bleicher lieber Papa stillt behände seine Nasenblutung und klatscht begeistert auf eins und drei.
    Nur die Hebamme findet, dass ich nun fertig mit Singen sei, und stopft mir die Brustwarze einer Frau in den Mund.
    Was soll das denn, frage ich mich, da schwant es mir: Das ist meine Mama!
    Papa nennt sie allerdings immer »Du-hast-es-geschafft-mein-Schatz«.
    Wär mir zu lang.
    »Meine Mama«, seufze ich.
    Ich bin völlig von den Socken und schenke ihr einen liebevollen Blick. Lächeln kann ich leider noch nicht, doch das übernimmt sie für mich, und ich habe das Gefühl, es strahlen tausend kleine Sonnen aus ihren Augen heraus. Begeistert taufe ich sie lautstark »Wäh«, und sie weint vor Freude.
    Ein Mann in Weiß kommt nun herein und näht Mama untenrum zu, vermutlich soll ich Einzelkind bleiben.
    Im Moment ist mir das egal. Ich bin einfach glücklich.
    Nach einer halbe Stunde inniger Zusammenkunft reißt mich die Hebamme aus den Armen meiner Mama und meint, sie müsse mich jetzt wiegen und messen, und das Baden könne ja der Papa übernehmen. Engagiert sagt er, klar, das sei kein Problem, das könne er gerne machen – doch ich sehe in seinen Augen einen Hauch von Angst und weiß nicht, ob sie sich auf das ungewohnte Badeerlebnis oder die Anwesenheit der argusäugigen Hebamme bezieht.
    Die nämlich beginnt unverzüglich mit dem Prozedere und verkündet das Ergebnis der Messung.
    Zweiundfünfzig Zentimeter und drei
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