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Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)

Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)

Titel: Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)
Autoren: Greg F. Gifune
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uns das nicht bewusst. Es war wie es war, und nachdem wir nichts anderes kannten, kamen wir gar nicht auf die Idee, dass wir die »armen« Leute auf der anderen Seite der Stadt waren, von denen so oft die Rede war.
    Für uns waren Leute wie Beau und Lonnie Miller arm. Sie lebten mit ihrer Mutter in einer Bretterbude am Stadtrand neben dem Staatsforst und bildeten regelmäßig die Zielscheibe, wenn es zu solchen Diskussionen kam. Egal wie schlecht es jemandem ging, er blickte auf die Millers herab und behauptete, sie seien noch schlechter dran, um sich so auf perverse Art selbst aufzuwerten, wenn auch nur in der eigenen Vorstellung. Ich habe Beau und Lonnie nie näher kennengelernt, weil sie ein paar Jahre älter als ich und in der Schule ein paar Klassen über mir waren. Aber ich sah die eine oder andere öfter mal in der Stadt oder gemeinsam in ihrem Garten, wo sie an einem vorsintflutlichen Fahrrad bastelten, und fragte mich oft, warum es in der Stadt, egal in welcher Gegend, für allgemein akzeptabel gehalten wurde, über Leute, die nichts getan hatten, um eine solche Behandlung zu verdienen, pauschale, unfaire und regelrecht grausame Mutmaßungen anzustellen. Offensichtlich bestand ihr Verbrechen in Armut, und wenn jemand die Linie zwischen arm und vollkommen mittellos überschritt, wurde irgendwie beschlossen, dass die Eröffnung der ständigen Jagdsaison auf ihre Würde nicht nur zulässig, sondern auch zu befürworten sei.
    Wenn ich hörte, wie jemand Witze über sie riss oder sie lächerlich machte, fragte ich mich immer, ob die Leute auf der anderen Seite der Stadt über mich genauso redeten. Das alles erschien mir schon damals albern und vollkommen bedeutungslos in der allgemeinen Ordnung der Dinge, weil offenbar jeder nur versuchte, so gut er konnte durchs Leben zu kommen. Eine der Lektionen, die mich das Leben in diesem Sommer lehrte, war, das niemand ungeschoren davonkommt. Niemand.
    Als Boone und ich den Bürgersteig überquerten und auf sein Haus zugingen, kam Boones Vater aus der Haustür, um uns zu begrüßen, die Hände in die Hüften. Er war ungekämmt und unrasiert und trug einen Bademantel, obwohl es früher Nachmittag war. Wir blieben an der Grundstücksgrenze stehen, und ich spürte bei seinem Anblick das übliche Unbehagen aufsteigen. Er blinzelte, schirmte mit dem Handrücken seine Augen gegen die Sonne ab und sah auf seinen Sohn hinunter. »Was machst du, Junge?«
    »Hallo, Dad.«
    »Hallo, Mr. Boone«, fügte ich rasch hinzu.
    Er stand einen Moment lang schweigend da, dann senkte sich sein Blick auf Boones Brust. Wegen der Hitze hatten wir unsere Hemden ausgezogen und sie hinten in unsere Shorts gestopft. »Jesus Christus«, sagte er mit einem tiefen Seufzer, »seh sich einer den an.«
    Die lallende Stimme und der überwältigende Alkoholgestank signalisierten uns, dass Boones Vater wie üblich betrunken war.
    »Tu der Nachbarschaft einen Gefallen, Junge, und zieh dein Hemd wieder an. Allmächtiger Christus, du hast größere Titten als deine Mutter.«
    Boone nahm einen knallroten Farbton an, der von seinen Wangen ausging und sich dann, wie ein gerade injizierter Farbstoff, über seinen ganzen Körper ausbreitete. Er angelte nach seinem Hemd und zog es rasch wieder an. »Ich bin nur gekommen, um das hierzulassen«, sagte er ruhig und hielt seinen Comic hoch, »dann gehen ich und Andy zurück zu ihm.«
    Sein Vater starrte auf den Comic und kicherte. Es war ein böses, freudloses Lachen. »Fünfzehn Jahre alt und liest noch immer die gottverdammten Witzheftchen.«
    »Das sind Comics, Dad.«
    »Du großer, fetter Waschlappen, dass du in deinem Alter mit diesen Witzheftchen rumläufst – Jesus – wie so eine Schwuchtel. Was zur Hölle ist los mit dir, Junge? Was hast du für ein Problem?«
    Ich tippte Boone gegen den Arm und gab ihm das Zeichen, dass wir gehen sollten. »Lass uns einfach verschwinden.«
    »Machst du dich über mich lustig, Junge?«, fragte Mr. Boone, und diesmal meinte er mich.
    »Nein, Sir«, antwortete ich.
    Er starrte mich mehrere Sekunden lang zornig an, dann stieß er hervor: » Ich sage meinem Sohn, wann er gehen darf und wann nicht.«
    »Ja, Sir.«
    Seine glasigen Augen wandten sich wieder Boone zu. »Weißt du, wenn du etwas mehr Zeit mit deinem Bruder und ein bisschen weniger mit deiner kleinen Freundin hier verbracht hättest, wärest du kein so verdammter Schlappschwanz.«
    Wir standen beide da wie erstarrt und wussten nicht, was wir sagen oder tun sollten.
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