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Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)

Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)

Titel: Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)
Autoren: Greg F. Gifune
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er unseren kleinen Vorgarten durchquerte, legte er seine Jacke ab.
    »Tu mir einen Gefallen und halt das einen Augenblick«, sagte er.
    Ich wischte den Schmutz von meinen Händen, nahm die Jacke und hielt sie, wie er es mir beigebracht hatte, vorsichtig am Kragen. »Ed hat Angela verprügelt.«
    »Das hast du mir schon gesagt.« Mit methodischer Präzision krempelte Onkel seine Ärmel ordentlich auf. »Ich kümmere mich darum. Wo ist deine Mutter?«
    »In der Küche. Ed ist oben und schläft.«
    »Und Angela?«
    »Sie ist in ihrem Zimmer.«
    Onkel nickte kurz, nahm seine Sonnenbrille ab und gab sie mir. »Keine Fingerabdrücke auf den Gläsern, in Ordnung?«
    Ich stand da, mit seiner Sonnenbrille in der einen und seiner Jacke in der anderen Hand, und sah, wie er ins Haus ging. Nach einer Weile kam meine Mutter mit Angela heraus, setzte sich mit ihr auf die Treppe und starrte mich an.
    »Wo ist Onkel?«, fragte ich.
    »Er redet mit Ed«, erwiderte sie mit flacher Stimme. »Das wolltest du doch, oder?«
    Bevor ich antworten konnte, öffnete sich die Fliegengittertür. Onkel kam herausgeschlendert. Er sah meine Mutter an, und sein Gesicht zeigte keinerlei Emotion.
    »Ruf besser einen Krankenwagen. Ed ist die Treppe runtergefallen.«
    Als meine Mutter ins Haus rannte, signalisierte mir Onkel, dass ich ihm seine Sachen bringen sollte. Nachdem er sie wieder angezogen hatte, nahm er etwas Bargeld aus der Tasche, zählte zwei Fünfzigdollarscheine ab und gab sie mir. »Gib das deiner Mutter, wenn sie sich beruhigt hat. Sag ihr, sie soll etwas einkaufen.«
    »Danke, Onkel.«
    »Danke, Onkel«, wiederholte Angela.
    Er beugte sich vor und küsste sie auf die Stirn, dann wandte er sich wieder an mich. »Sowie er aus dem Krankenhaus kommt, zieht Ed aus. Eure Mutter ist sauer, aber wenn sie sich beruhigt hat, erzählt ihr auf jeden Fall, was er mit Angela gemacht hat und was er ihr gesagt hat, dass er tun würde, wenn sie es erzählt. Sie wird immer noch eine Zeit lang wütend sein, aber sie wird es verstehen. Sie wird darüber hinwegkommen.«
    Meine Mutter sprach mehrere Stunden lang nicht mit mir, aber Onkel hatte recht, es blieb nicht dabei. Später, als wir darüber sprachen, sagte sie mir, dass sie froh sei, dass wir es jemandem erzählt hatten, dass es ihr aber lieber gewesen wäre, wenn wir es ihr gesagt hätten und nicht Onkel.
    »Er liebt uns«, sagte sie zu mir, »aber du weißt, wie er manchmal sein kann.«
    Ja, das wusste ich. Jedenfalls ließ meine Mutter nie wieder einen anderen Mann bei uns wohnen. Damals habe ich aus rein egoistischen Motiven, wie sie bei Kindern häufig anzutreffen sind, nie darüber nachgedacht, was das für sie bedeutete … Was für ein Opfer sie damit brachte, dass sie nie wieder eine ernsthafte Beziehung mit einem Mann einging, damit sie ihre Kinder nichts aussetzte, vor dem man sie lieber fernhalten sollte. Unser bescheidenes, kleines Haus wurde zu einem Zufluchtsort, wie Angela und ich ihn uns schon immer gewünscht hatten, zu einem Refugium, wo wir vor dem Rest der Welt und all ihren möglichen Schrecken sicher waren. Unsere Mutter gehörte ganz uns, verborgen in einem Kokon, von dem wir glaubten, er würde nie wieder aufbrechen, der aber schon begonnen hatte, sie langsam zu ersticken, bevor alles in sich zusammenbrach.
    Obwohl die Episode mit Ed Kelleher die hervorstechendste ist, sind die meisten meiner Erinnerungen an Onkel bis zu dieser Zeit ebenso lebhaft, wenn auch sehr viel weniger dramatisch. Ich kann mich erinnern, wie er mit Angela auf dem Boden ihres Schlafzimmers saß und mit ihr mit Puppen und Plastikteegeschirr spielte. Ich erinnere mich, wie er an den Samstagen morgens zu Besuch kam, um Zeichentrickfilme anzusehen; an sein Lachen, und dass ich den Eindruck hatte, dass er sogar noch mehr Spaß hatte als wir. Ich erinnere mich, wie er mir das Basketballspielen beibrachte, und wie er mich meistens gewinnen ließ. Ich erinnere mich, dass er kam, um sich unsere Schulaufführungen und Schulfeste anzusehen, lauter klatschte und jubelte als irgendwer sonst, und dass er mich jedes Jahr auf die Vater-und-Sohn-Ausflüge unserer Klasse begleitete. Ich kann mich an unzählige Besuche im nahe gelegenen Zoo erinnern, wie wir in unserem Lieblingsrestaurant zu Mittag aßen und den Tag mit einem Abstecher in das örtliche Spielzeuggeschäft beendeten, wo Angela und ich uns jeder ein Teil aussuchen durften, egal was es kostete. Ich erinnere mich, dass er mir bei den Hausaufgaben half und ich
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