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Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)

Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)

Titel: Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)
Autoren: Greg F. Gifune
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und mit Pomade festgelegt. Er war attraktiv, wenn auch nicht im traditionellen Sinne gut aussehend. Sein Teint wirkte hell und leicht südländisch, und obwohl seine Nase ein wenig zu groß war, stand sie ihm. Wenn er lächelte, tat er das zuerst mit den Augen, seine dünnen Lippen kräuselten sich langsam, um Sekunden später seine Zähne aufblitzen zu lassen. Ich erinnere mich an den raschen Rhythmus seiner Sprache und selbst an den besonderen Tonfall seiner Stimme, die einen flüsternden Klang hatte, wie er bei Rauchern häufig vorkommt.
    Onkel Paul oder einfach »Onkel«, wie wir ihn nannten, war der einzig positive und beständige männliche Einfluss in unserem Leben. Seit unser Vater uns verlassen hatte, hatten wir keinen Kontakt mehr zu seinen Familienmitgliedern, und unsere Großeltern mütterlicherseits waren gestorben, als ich noch nicht einmal vier und Angela ein Baby war. Unsere Mutter und Onkel Paul waren die Kinder älterer Eltern, die einander erst spät im Leben getroffen hatten. Tragischerweise starben sie, als ihre Kinder noch ziemlich jung und ihre Enkel erst Babys waren.
    Nachdem mein Vater verschwunden war, hatte meine Mutter gelegentlich Verabredungen. Aber diese Männer hatten wenig Interesse an zwei kleinen Kindern und waren im Allgemeinen fort, bevor wir Gelegenheit hatten, sie kennenzulernen. Die Auswahl ihrer Männer war nie eine Stärke meiner Mutter, obwohl ich mir vorstellen kann, wie schwierig es damals für sie gewesen sein muss. Sie war eine alleinerziehende Mutter, die Rechnungen bezahlen musste, die ihr Einkommen als Kassiererin bei einem nahe gelegenen Billigkaufhaus bei Weitem überstiegen. Und obwohl sie unglücklich gewesen sein muss, hat sie uns ihren Kummer, ihre Angst und ihre Einsamkeit kaum je spüren lassen.
    Weil sie so jung geheiratet und Kinder bekommen hatte, während die meisten Mädchen in ihrem Alter aufs College gingen, war sie nach dem Verschwinden meines Vaters die einzige Ernährerin unserer Familie und musste ohne Ausbildung und nur mit einem High-School-Abschluss ihr Bestes geben. Doch schon als ich noch sehr klein war, war es für mich offensichtlich, dass Onkel unsere Familie finanziell unterstützte. Wenn ich jetzt zurückblicke, wird mir klar, dass er vermutlich der einzige Grund war, dass wir nicht von der Wohlfahrt abhängig wurden.
    Neben unserem Vater hatte meine Mutter nur eine einzige ernsthafte Beziehung, mit einem Mann namens Ed Kelleher, einem Schweißer aus der Gegend, der schließlich für kurze Zeit bei uns einzog. Onkel war dieses Arrangement nicht recht, was mehrfach zu Streit zwischen ihm und meiner Mutter führte. Ed Kelleher, ein lauter und aggressiver Mann, gefiel sich gelegentlich darin, meine Schwester und mich ohne einen echten Grund zu beschimpfen. Schon unsere bloße Existenz schien ihn zu belästigen. Einmal beschloss er, Angela müsse dafür bestraft werden, dass sie ein Glas Milch auf dem Küchenboden verschüttet hatte. Es war offenkundig ohne Absicht geschehen. Mutter war zu dem Zeitpunkt bei der Arbeit, und obwohl er wusste, dass sie nichts davon hielt, im Zorn die Hand gegen ein Kind zu erheben, legte er Angela übers Knie und verdrosch sie. Angela war damals fünf Jahre alt.
    Ed hatte uns so bedroht, dass keiner von uns unserer Mutter erzählte, was passiert war, aber später am Abend, als ich sicher war, dass Mutter und Ed im Bett lagen, schlich ich in Angelas Zimmer, um nach ihr zu sehen. Obwohl ich selbst erst acht war, erfüllte mich eine Wut, wie ich sie nie zuvor verspürt hatte, als ich sah, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten. Ich saß auf ihrer Bettkante, streichelte sanft ihren Rücken und versicherte ihr flüsternd, dass alles gut werden würde. Ihr Schmerz und ihre Tränen erschienen mir in ihrem mit Stofftieren, Märchenbüchern und Puppen angefüllten Schlafzimmer gespenstisch deplatziert.
    »Wir sollten es Mama sagen«, sagte ich.
    Mit schwacher Stimme antwortete sie: »Ed hat gesagt, das dürfen wir nicht, sonst tut er ihr auch weh.«
    »Alles wird gut«, tröstete ich, streichelte sie und rieb weiter ihren Rücken, bis sie wenige Momente darauf schließlich einschlief.
    Und dann rief ich Onkel an.
    Er kam früh am nächsten Morgen. Ich spielte im Vorgarten, als sein schwarzer Camaro einbog und die Reifen im Kies der Einfahrt knirschten. Es war spät im Juli, und die Feuchtigkeit nahm bereits zu, aber als er aus dem Wagen stieg, trug er einen dunkelgrauen Anzug und eine verspiegelte Sonnenbrille. Während
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