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Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)

Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)

Titel: Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)
Autoren: Greg F. Gifune
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viel zu jung geheiratet, und als sie zwanzig Jahre alt war, hatte sie meine jüngere Schwester Angela und mich schon zur Welt gebracht. Meine Erinnerung sagt, dass sie eine gute und liebende Mutter war, aber im Laufe der Zeit wurde mir klar, dass sie nie ein besonders glücklicher Mensch war. Sie war in einer traditionell italienisch-amerikanischen Familie aufgewachsen, und da wurde ihr beigebracht, dass sie den Männern irgendwie untergeordnet war, so etwas wie ein Versatzstück für ihr jeweiliges männliches Gegenüber. In Familien wie der unseren haben Frauen oft eine erhebliche Macht ausgeübt, benahmen sich aber, zumindest an der Oberfläche, als läge alles in den Händen der Männer. Wie bei einer fehlbesetzten Schauspielerin war es für meine Mutter eine Rolle, die sie selten überzeugend spielte, aber trotzdem übernahm.
    Wir wohnten in Warden, einer hauptsächlich von der Arbeiterklasse bewohnten Stadt an der Südostküste von Massachusetts, nicht weit von Boston entfernt. Es war angenehm, dort aufzuwachsen, zumindest für eine Weile.
    Schon als meine Schwester und ich noch sehr klein waren, wurde Onkel Paul zu so etwas wie einem Ersatzvater. Er war selbst jung (erst Mitte zwanzig, als Angela und ich noch in die Grundschule gingen), und obwohl er nicht verheiratet war und keine eigene Familie hatte, ging er wundervoll natürlich mit Kindern um. Er unterschied sich dadurch von anderen Erwachsenen, dass er sich selten wie einer verhielt, eine Eigenschaft, die es Angela und mir leichter machte, uns mit ihm zu identifizieren. Er war nicht unreif, nur sorglos und selbstbewusst. Jemand, der uns behandelte und mit uns redete, als seien wir denkende menschliche Wesen, die genauso viel Respekt verdienten wie jeder andere, ob sie nun Kinder waren oder nicht. Ich nehme an, es waren das Selbstbewusstsein und die Selbstbeherrschung, die er ausstrahlte, um die ich ihn am meisten beneidete. Wie ich später erfuhr, hatte er eigentlich viele Gründe, ständig in Sorge zu sein, aber das war eine Seite von ihm, die zu sehen er uns selten gestattete. Er führte zwei sehr unterschiedliche Leben und existierte für uns nur, wenn er bei uns war, wie ein Spielzeug, das in den Händen und den Gedanken eines Kindes lebendig wird, aber aufhört zu existieren, wenn es einmal aus den Augen ist und der Deckel der Spielzeugkiste sich geschlossen hat.
    Wenn ich heute zurückblicke, erkenne ich, dass es vieles gab, was ich gründlicher hätte hinterfragen sollen. Angela und ich wussten nie genau, womit Onkel Paul seinen Lebensunterhalt bestritt. Er sagte uns, er sei ein Geschäftsmann, führte das aber nie näher aus. Er schien zu arbeiten, wenn ihm danach war, nachdem er häufig über längere Zeiträume hinweg tun konnte, was er wollte. Trotzdem besaß er immer Geld. Er war beim besten Willen nicht reich, trug aber immer ein von einer glänzenden Schmuckklammer zusammengehaltenes Geldbündel in der linken Hosentasche. Normalerweise trug er maßgeschneiderte, zweireihige Anzüge und kalbslederne Slipper. Selbst seine Freizeitkleidung war teuer und elegant. An der linken Hand trug er einen Diamantring und eine luxuriöse Uhr, und um sein rechtes Handgelenk hing locker eine goldene Fischgrätenmuster-Armkette. Anders als bei den meisten Männern in der Stadt hatten Onkel Pauls Hände keine Narben oder rauen Stellen, die sich im Allgemeinen in Jahren harter körperlicher Arbeit einstellen, und ich kann mich kaum erinnern, ihn je unordentlich gesehen zu haben.
    Ich habe immer geglaubt, dass meine Mutter von Anfang an wusste, in was ihr Bruder verwickelt war, aber wenn sie jemand fragte, waren ihre Antworten genauso vage. Angela und ich lernten schnell, dass diese Art Fragen nicht mit der gewünschten Genauigkeit beantwortet wurden, wenn es um unseren Onkel ging.
    Es erschien mir auch seltsam, dass er fast immer allein war. Er sprach selten von Freunden oder Geschäftspartnern, und obwohl er manchmal Frauen erwähnte, kannte ich ihn schon seit vielen Jahren, bevor ich zum ersten Mal eine von seinen Freundinnen traf. Alle seine Beziehungen zu Frauen schienen nie besonders ernst zu sein. Ganz selten bin ich ihm mit einer Frau begegnet, mit der er enger befreundet war, und diese Frauen waren genauso schnell wieder aus seinem Leben verschwunden, wie sie aufgetaucht waren.
    Er war weniger als 1,80 Meter groß, bewegte sich aber wie ein wesentlich größerer Mann. Sein Körperbau war kompakt und kraftvoll, sein Haar dunkel, gerade zurückgekämmt
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