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Die Geliebte des Kosaken

Die Geliebte des Kosaken

Titel: Die Geliebte des Kosaken
Autoren: Megan McFadden
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Kapitel 1
    St. Petersburg – endlich!
    Natalja lehnte sich aus dem Kutschenfenster und genoss den Anblick der großen Stadt, die im perlmuttfarbigen Licht des späten Nachmittags vor ihr lag. St. Petersburg hatte nichts von all den anderen russischen Städten, wo sich enge Holzhäuser aneinanderdrängten. Hier gab es helle, steinerne Bauten, wohin das Auge blickte, breite, gepflasterte Straßen, dazwischen das schimmernde Band der Newa – täuschte sie sich, oder blinkte weit in der Ferne schon die goldene Kuppel der Peter-und-Paul-Festung?
    „Fahr zu, Jefim!“
    Während der Kutscher schnalzte, um die müden Pferdchen anzutreiben, ließ sich die junge Aristokratin wieder in die Polster der Kutsche sinken. Eine fieberhafte Aufregung hatte sie ergriffen – jetzt würde sich das Rätsel lösen. In knapp einer Stunde wusste sie vielleicht schon mehr. Sie kramte in ihrem Täschchen und zog einen eng zusammengefalteten Brief hervor, um noch einmal jene Zeilen nachzulesen, die ihr einziger Anhaltspunkt waren.
    Sie kannte das Schreiben fast auswendig, so oft hatte sie es während der vergangenen zwei Monate zur Hand genommen. Es waren zärtliche Worte, die ihr Verlobter an sie gerichtet hatte, manches hatte sie erröten und ihr Herz rascher schlagen lassen, so dass sie den Brief sorgfältig vor der Großmutter verborgen hielt. Oleg Pawlowitsch Petrow hatte die bisher so spröde junge Adelige in diesem Winter auf einer Gesellschaft in St. Petersburg im Sturm erobert – die Liebe war wie ein Rausch über Natalja gekommen, und trotz aller Bedenken hatte ihre Großmutter Anfang des Jahres die Verlobung des jungen Paares bekanntgegeben.  
    „Ich habe heute den ganzen Vormittag über an dich denken müssen, meine süße Natalja, und ich gestehe, dass ich den Tag unserer Hochzeit kaum mehr erwarten kann. Ich weiß, dass wir beide unendlich glücklich sein werden, wenn du ganz und gar die Meine bist und alles, was unsere Seelen und unsere Körper jetzt noch voneinander trennt, nicht mehr zwischen uns stehen wird   …“
    Erst später waren ihr in seinem Brief einige Dinge aufgefallen, die ihr merkwürdig vorkamen, ja, sie vielmehr ein wenig irritierten:
    „Den gestrigen Abend habe ich wieder bei Andrej Semjonitsch Dorogin verbracht – ein außerordentlich interessanter Mensch. Obgleich er kaum älter ist als ich, verfügt er doch über eine abenteuerliche Vergangenheit und große Kenntnisse unserer russischen Heimat. Seine Gabe, spannend zu erzählen, ist beeindruckend, so dass ich die Besuche bei ihm sehr genieße. Er ist übrigens sehr wohlhabend und besitzt ein schönes Haus gleich hinter der Petri-Kirche am Katharinenkanal   …“ 
    Nachdenklich sah sie von dem Brief auf und runzelte die Stirn. Er konnte den Tag ihrer Hochzeit kaum erwarten – genoss aber die Abende in Gesellschaft dieses Menschen, den er ihr gegenüber bisher mit keinem Wort erwähnt hatte. Wer war er, dieser Dorogin? Sie kannte keine adelige Familie dieses Namens, und von einem Staatsamt war auch nicht die Rede. Stattdessen verfügte dieser Mensch über Geld und eine abenteuerliche Vergangenheit – das klang nicht gerade wie eine Empfehlung. Wie war es möglich, dass ein Mann wie ihr geliebter Oleg, der klug und gebildet war, dazu aus guter Familie und Offizier des Zaren, mit solch einem Mann Freundschaft pflegte, ja, seine Gegenwart sogar genoss?
    Ach, Männer waren wohl vollkommen andere Wesen als Frauen. Sie selbst hatte seit dem Tag ihrer Verlobung keinen einzigen Abend auf Gut Wologdje bei ihrer Großmutter mehr so richtig genießen können. Unablässig war sie in Gedanken mit Oleg beschäftigt gewesen, hatte sich ausgemalt, was er gerade tat, woran er dachte, womit er sich beschäftigte. Sie hatte Pläne für die Zukunft gemacht, Bücher bestellt, eine Hochzeitsreise entworfen, ihr Kleid in Auftrag gegeben und tausend Dinge mehr. Und sie hatte ungeduldig auf Post gewartet. Tagelang, wochenlang – schließlich waren es zwei Monate gewesen. Doch es war kein Brief mehr von Oleg gekommen. Schlimmer noch: Ihre eigenen Briefe kehrten zurück – der Adressat sei nicht auffindbar.
    War er krank geworden? Verunglückt? Aber dann hätte sie doch Nachricht erhalten. Sie zögerte, Freunde und Bekannte anzuschreiben, aus Angst davor, verspottet zu werden. Die schöne, stolze Natalja Galugina, die so viele Bewerber um ihre Hand verlacht und zurückgewiesen hatte – nun hatte der Bräutigam sich auf und davon gemacht! Was für eine wundervolle
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