Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Runen

Runen

Titel: Runen
Autoren: Elias Snæland Jònsson
Vom Netzwerk:
Vater, dem selbstgekrönten Meister der Lüge. Schon in jungen Jahren hatte er ihr die drei goldenen Regeln aller gut gelungenen Mimikry eingebleut. Zum Ersten muss eine Lüge immer plausibel sein. Zum Zweiten muss die Lüge der Wahrheit so nahe kommen wie nur möglich. Zum Dritten aber musste der Meister der Täuschung jede Gelegenheit ausnutzen, um die Lüge den kaum verborgenen Erwartungen derer, die er zu täuschen beabsichtigte, anzupassen.
    Der kanadische Milliardär wartete ungeduldig darauf, bis die Übertragung in seiner computergesteuerten Zentrale in den kanadischen Rocky Mountains ankam. Geduld hatte er nie als erstrebenswerte Tugend betrachtet. Am allerwenigsten seit dem Helikopterunfall, als er dem Tod ins Auge geblickt hatte. Er nahm sich vor, der erbarmungslosen Präzision der Schicksalsparzen mit allen Mitteln die Stirn zu bieten. Jetzt erst recht, da die lang ersehnten Geheimnisse der germanischen Vorväter endlich, endlich in Reichweite waren.

|403| Ein kurzer Einblick in die Runenkunde
Von Richard Kölbl
    Runen und raunen – nicht zufällig liegen diese Worte lautlich nahe beieinander. Runen, diese geheimnisvollen Schriftzeichen aus grauer Vorzeit, raunen uns von uralten bemoosten Felsen, von Lanzenschäften, Goldbrakteaten und Silberspangen ihre Botschaft aus längst vergangenen Zeiten zu. In fast ganz Nord- und Mitteleuropa, in Island und sogar auf Grönland, hauptsächlich aber im skandinavischen Raum sind Runentexte bekannt, die meist nur aus kurzen Inschriften und Textfragmenten bestehen. Längere Texte sind die Ausnahme. Selbst wenn man sie entziffern kann – der vielfach schlechte Erhaltungszustand lässt oft nicht einmal das ganz zu –, so bleibt in den meisten Fällen der Sinn der Texte im Dunkeln. Was sind das für Texte? Wer hat sie wann geschrieben und warum? Die Runologen von heute versuchen, diese Fragen mit verschiedenen Methoden seriös zu beantworten. Dabei arbeiten Archäologie und Sprachwissenschaft Hand in Hand. Was weiß man heute über Runen?
    Die frühesten Runentexte datieren aus dem 1. bis 2. Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Runen wurden vor allem in Skandinavien bis etwa ins 16. Jahrhundert geschrieben. Danach nimmt ihr Gebrauch zugunsten der Lateinschrift rapide ab, selbst wenn sie bis ins 19. Jahrhundert vereinzelt |404| noch verwendet wurden. So beispielsweise auf Gotland, wo Runenkalender noch lange in Gebrauch waren, oder in der schwedischen Region Dalarna als eine Art volkstümliches Alphabet. In dieser fast zwei Jahrtausende umfassenden Zeit haben sich im nördlichen und mittleren Europa, wo Runenartefakte vorzugsweise zu finden sind, die gesprochenen Sprachen erheblich verändert. Dies spiegelt sich in den Runentexten deutlich wider: Man kann darin je nach Alter mehrere Entwicklungsstufen der nordwest- und ostgermanischen Sprachen unterscheiden. Darunter ist beispielsweise das Altnordische vertreten, mit dem das heutige Isländisch oder Färöisch eine engere Verwandtschaft aufweisen als beispielsweise Dänisch oder Norwegisch, die sich davon erheblich wegentwickelt haben. Aber auch gotische Sprachstufen sind zu finden oder, besonders im 12. bis 16. Jahrhundert, sogar Latein als nichtgermanische Sprache.
    Nicht nur die Sprachen, die mit den Runen notiert wurden, haben sich verändert, sondern auch die Runenzeichen selbst. Man unterscheidet im Wesentlichen zwei Runenalphabete, die nach den ersten sechs Buchstaben als
Älteres
und
Jüngeres Futhark
bezeichnet werden. Das Ältere Futhark – manchmal auch mit dem isländischen Buchstaben þ für das stimmlose th als Fuþark geschrieben – lautet so:

    |405| Die Rune für ï wurde nur in sehr früher Zeit anders ausgesprochen als die für i, sie sind sehr bald lautlich zusammengefallen, aber man hat den Unterschied noch einige Jahrhunderte schriftlich beibehalten (so wie wir unserf und v). Um das 7. Jahrhundert n. Chr. haben sich vor allem die westnordischen Sprachen erheblich verändert, so dass das Runenalphabet zum Jüngeren Futhark verkürzt und angepasst wurde:

    Es ist leicht zu erkennen, dass Isländisch mit seinem þ eine Rune in sein Alphabet aufgenommen hat. Die Rune für R (z) war in sehr alten Sprachstufen ein stimmhaftes s wie in Ro s e, die bald zu r wurde und vor allem grammatikalische Bedeutung hat. Deswegen schreiben die Runologen es je nachdem als z oder R, um es von dem anderens bzw. r zu unterscheiden. Neben diesen zwei Runenreihen gibt es noch eine ganze Menge schriftlicher Variationen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher