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Runen

Runen

Titel: Runen
Autoren: Elias Snæland Jònsson
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vorletzten stehen. Darauf war sie mit Sigríður zu sehen, wie sie sich durch eine Menschentraube vor einer beliebten Kneipe in der Hafnarstræti drängte.
    »Das da ist Ursula«, sagte sie und deutete auf das Gesicht einer Frau, die offenbar gerade aus der Tür der Kneipe trat. Obwohl der Ausdruck von schlechter Qualität war, waren ihre Gesichtszüge doch deutlich erkennbar.
    Erna hielt es nicht länger auf ihrem Stuhl. Sie stand auf, beugte sich vor und blickte dem Hauptkommissar über die Schulter in das grobgepixelte Gesicht der Frau.
    Sie war verwundert und erschrocken zugleich.
    Die Frau, die da aus der Tür trat, war Susan Houston.
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    Nachdem Ragna Ámundadóttir die Aussage durch ihre Unterschrift bestätigt hatte, schritt Kriminalhauptkommissar Guðjón rasch zur Tat.
    Er ließ Sigríður Jóhanna Angantýsdóttir aus der Untersuchungshaft holen, beantragte bei der Abteilung für Internationale Zusammenarbeit der isländischen Polizei die sofortige Einholung von Informationen beim FBI über Susan Houston wegen des Verdachtes auf Beteiligung an einer Kindesentführung. Dann setzte er eine Untersuchung zum Aufenthalt der Amerikanerin in Island an.
    Sigríður war anzusehen, dass sie mit der Isolation der Untersuchungshaft weniger gut klarkam als ihre Freundin. Sie hatte schlecht geschlafen und saß zusammengekauert neben ihrem blutjungen Rechtsanwalt, als Guðjón und Erna und ein Dritter den Verhörraum betraten.
    »Also, Sigga«, redete Guðjón sie kumpelhaft an und ließ sich ihr gegenüber nieder. »Du sitzt ganz schön in der Tinte, scheint mir.«
    Sigríður sah ängstlich zu ihrem Rechtsanwalt.
    »Deine Freundin hat uns alles verraten.«
    »Das ist nicht wahr.«
    »Ich habe hier ihr unterschriebenes Geständnis«, entgegnete der Hauptkommissar und wedelte mit dem Schriftstück vor ihrer Nase.
    |386| »Ragna und ich sind politische Gefangene, und wir sagen der Polizei nichts. Dazu haben wir das Recht.«
    »Das hat deine Freundin während der Haft wohl vergessen. Sie hat behauptet, dass du Darri wegen des Wetteinsatzes entführen wolltest.«
    »Das würde sie niemals tun.«
    »Sie sagte sogar, dass du das Ganze organisiert hast«, fuhr Guðjón fort und tat, als würde er aus dem Geständnis zitieren. »Demnach hast du den Geländewagen gemietet, und du bist für das Sommerhaus in Úthlíð als Mieterin eingetragen, du bist auch zu der Tagesmutter in Kópavogur gefahren, und du hast den Kleinen entführt. Das ist alles hier drin aktenkundig.«
    »Könnte ich bitte eine Kopie dieses Geständnisses haben?«, fragte der Rechtsanwalt höflich.
    »Ich rate dir also, Sigga, uns deine Sicht der Dinge zu schildern, bevor es zu spät ist«, fuhr der Hauptkommissar fort, ohne dem Rechtsanwalt die geringste Beachtung zu schenken. »Andernfalls wird die Anklage das Geständnis deiner Freundin berücksichtigen. Und darin sieht sie deinen Anteil an dem Verbrechen als den weitaus größeren an.«
    Sigríður brach in Tränen aus.
    Nach einer kurzen Erholungspause beantwortete sie die Fragen der Polizei zögernd und meist mit Ja oder Nein oder in sehr knappen Sätzen. Dennoch war ihre Aussage in allen wesentlichen Dingen deckungsgleich mit der von Ragna.
    »Aber ich wollte Ursulas Geld auf keinen Fall für mich selbst«, verteidigte sich Sigríður und blickte den Beamten mit verweinten Augen an. »Ich habe allem nur zugestimmt, um den Kampf für ein reines Island zu unterstützen.«
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    Donnerstag, 2. August
    Melkorka bereitete alles für den Familienausflug zum großen Sommerfest auf den Westmännerinseln vor, als sich Robert M. Houston erneut bei ihnen einlud.
    »Ich bin auf dem Weg nach Heidelberg«, entschuldigte er sich. »Es erschien mir notwendig, bei Ihnen vorbeizuschauen und die Angelegenheit zu besprechen.«
    »Welche Angelegenheit?«, entgegnete Melkorka kühl.
    Sie hatte sich fest vorgenommen, das schwarze Erbe vollkommen aus ihrem Gedächtnis zu tilgen, das ihr Großvater ihr durch seinen Selbstmord auf dem Friedhof von Fossvogur so ganz ohne Vorwarnung vor die Füße geworfen hatte. Eine Zeitlang hatte sie sich sogar selbst von dem Wahnsinn von Höskuldurs Suche anstecken lassen. Die schrecklichen Erlebnisse in der Unterwelt von Þingvellir aber hatten sie davon auf Lebenszeit kuriert.
    Melkorka hatte der Polizei einen Bericht von ihrem Tauchgang gegeben und dabei den plötzlichen und schrecklichen Tod der beiden Amerikaner in den Unterwasserhöhlen nicht ausgelassen. Die Behörden ließen
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