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Runen

Runen

Titel: Runen
Autoren: Elias Snæland Jònsson
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einem Fall erfolglos bleiben, müssen wir uns nach den Umständen richten und uns anderen und dringenderen Fällen zuwenden, die auf ihre Bearbeitung warten.«
    »Ich bin nicht der Ansicht, dass die Ermittlungen erfolglos geblieben sind«, widersprach der Hauptkommissar.
    »Ich will hier nicht über die Wortwahl diskutieren. Aber in deinen eigenen Berichten steht, dass nur diese Deutsche, Greta Schneider-Richthoven, des Mordes verdächtig ist und jetzt von Interpol in der ganzen Welt gesucht wird. Ist das nicht so?«
    »Doch, schon.«
    »Wenn die Gesuchte sich also im Schengen-Gebiet noch einmal blicken lässt, dann wird sie unverzüglich festgenommen«, fuhr der oberste Dienstherr fort. »Bis dahin |395| kann der Fall hier in Island zunächst beiseitegelegt werden, scheint mir.«
    »Ich glaube, wir sollten die Ermittlungen trotzdem selbst fortführen.«
    »Was gibt es denn da noch zu ermitteln, wenn die Verdächtige ausgereist und nicht aufzufinden ist?«
    »Wir könnten beispielsweise alle Informationen noch einmal durchgehen«, schlug Guðjón vor. »Vielleicht haben wir etwas Entscheidendes übersehen.«
    »Das wäre eine weitere Zeitverschwendung, und noch mehr Geld würde zum Fenster hinausgeworfen werden«, entgegnete der Polizeipräsident. »Ich will, dass du alle relevanten Daten des Falles archivierst und dich dann anderen Fällen widmest.«
    Guðjón zuckte die Achseln: »Die Entscheidung liegt bei dir.«
    »Ja, das tut sie.« Der Polizeipräsident versuchte ein freundliches Lächeln: »Es freut mich im Übrigen zu hören, dass beide Verdächtigen im Fall der Kindesentführung gestanden haben. Wir können ihn in den nächsten Tagen also an die Staatsanwaltschaft weiterleiten, nicht wahr?«
    »Aber die Frage nach der dritten Tatbeteiligten ist noch offen.«
    Er warf einen Blick in die Akte auf seinem Schreibtisch.
    »Meinst du diese Amerikanerin? Diese Susan Houston?«
    »Ja.«
    »Steckt denn da etwas dahinter?«
    »Wie meinst du das?«
    »Handelt es sich denn hier nicht um eine Absprache der beiden Frauen, die Aufmerksamkeit von dieser Deutschen abzulenken?«
    |396| »Das wage ich zu bezweifeln.«
    »Nach meinen Informationen ist es so gut wie ausgeschlossen, dass sich das FBI veranlasst sieht, Zeit auf diese Angelegenheit zu verwenden.«
    »Sagt wer?«
    »Außerdem halte ich es für unnötig, Dinge zu verkomplizieren, für die schon eine schöne Lösung gefunden wurde«, fuhr der Polizeipräsident unbeirrt fort. »Es ist also Zeit, die Ermittlungen zu dem Fall abzuschließen und ihn an den Staatsanwalt weiterzuleiten.«
    »Ich habe aber ein großes Interesse daran, Susan Houston über Ragnas und Sigríðurs Beschuldigungen selbst zu befragen.«
    Da hob der Polizeipräsident den Kopf. Seine Miene versteinerte.
    »Ich betrachte die Ermittlungen als abgeschlossen. Der Fall ist durch die Geständnisse der beiden Täterinnen endgültig aufgeklärt«, blaffte er.
    »Die Entscheidung liegt bei dir.«
    »Das tut sie, in der Tat. Mir scheint, dass du wegen der Belastung durch die Arbeit an den beiden Fällen deinen Sommerurlaub noch nicht nehmen konntest.«
    »Stimmt.«
    »Willst du ins Ausland verreisen?«
    »Ich fahre normalerweise nach Italien.«
    »Du kannst deinen Sommerurlaub gleich nach dem Bankfeiertag nehmen«, beschied der Polizeipräsident. »Da hast du genügend Zeit, die Fälle, die bei der Polizeibehörde liegen, abzuschließen, bevor du wegfährst.«
    »Die Entscheidung liegt bei dir«, wiederholte Guðjón mit gerunzelter Stirn.
    |397| 88
    Montag, 6. August
    Melkorka fuhr zum großen Sommervolksfest auf den Westmännerinseln mit der festen Absicht, die Vergangenheit ihres Großvaters endgültig zu begraben.
    Zuerst fiel es ihr außerordentlich schwer, den Behauptungen Ragnas und Sigríðurs Glauben zu schenken, dass Susan Houston sie zu der Entführung angestiftet haben sollte. Aber ihre unerwarteten Aussagen und darüber hinaus auch der Besuch Professor Houstons weckten nagende Zweifel und eine stille Traurigkeit in ihr.
    Konnte es wirklich sein, dass Susan Houston, die sie als ihre treue Freundin angesehen hatte, die ganze Zeit nichts als Verrat im Sinn gehabt hatte?
    Vor ihrer Abreise auf die Westmännerinseln schickte sie Susan eine E-Mail mit Ragnas und Sigríðurs Aussagen. Am Schluss fragte sie auf Lateinisch, der ewigen Sprache, die Susan gelegentlich verwendet hatte:
    »
Et tu, Brute? – Auch du, Brutus?
«

    Im Steuerhaus des Fischerbootes
Freyja
schlief Darri fest und tief, als
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