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Tal ohne Sonne

Tal ohne Sonne

Titel: Tal ohne Sonne
Autoren: Heinz G. Konsalik
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    Die einmotorige, zweisitzige kleine Maschine, ein Hochdecker vom Baujahr 1970, kreiste über dem Urwaldtal. Links und rechts ragten die dicht bewachsenen Hänge der hier über zwölfhundert Meter hohen Berge in den fahlblauen Himmel, der ständig seine Farbe wechselte, vom Hellgrau bis zum sonnendurchfluteten Azurblau, wenn die Nebelschwaden über dem tiefen Tal die Sicht verdeckten oder Löcher in die glänzende Weite freigaben. Sie kreisten in etwa achthundert Metern Höhe über dem lehmigen Fluß, der sich in Millionen Jahren durch die Berge gefressen hatte und nun die Schlucht durchzog wie ein gelber Faden. Nur diesen Fluß gab es, die eingeschnittenen Abhänge, überwuchert von riesigen Bäumen, Riesenfarnen, miteinander verfilzten haushohen Sträuchern und undurchdringlichem Dschungel, der in das lehmige Wasser hineinwuchs. Ein Stück Urnatur, unberührt, unbekannt, unerforscht, voller Geheimnisse … Lebten dort unten Tiere, die man noch nicht kannte, Überbleibsel aus längst vergangenen erdgeschichtlichen Zeiten, die hier, im nie zu erobernden Urwald, die Jahrmillionen überlebt hatten? Gab es da unten Menschen aus der Steinzeit, Menschen, die völlig anders aussahen als die Menschen unseres Jahrhunderts, Menschen auf der untersten Entwicklungsstufe oder Menschen mit geheimnisvollen Kulturen, mit grausamem Götterglauben, versteckt und begraben unter der grünen Decke des Urwaldes? Der knatternde Riesenvogel, der jetzt über ihnen kreiste, mußte für sie ein schrecklicher Dämon sein, ein donnernder, böser, gefährlicher Gott, den man nur versöhnen konnte durch ein Opfer, durch Demut, durch Unterwerfung. Durch Menschenopfer?
    Das kleine Flugzeug flog jetzt dem Flußlauf nach, bog vor einer neuen grünen Bergwand ab und kehrte nach einer engen Schleife in das Tal zurück. Es sank bis auf sechshundert Meter, fast greifbar ragten die Baumriesen zu beiden Seiten an ihm hoch.
    James Patrik starrte durch die Nebelschwaden hinunter zum Fluß. »Als ob das Tal dampft«, sagte er. »Ob wir jemals bis dahin vordringen können?«
    Steward Grant, der Pilot, warf einen kurzen Blick in das wilde Tal. Ihn interessierte jetzt mehr ein Geräusch im Motor, das nicht normal war. Ein kaum wahrnehmbares Stottern, aber er hörte es, und sein fragender Blick strich über die Instrumententafel. »Zu Fuß bestimmt nicht«, antwortete er und lauschte wieder angestrengt auf das Klopfen im Motor. »Sich von Kopago über die Berge und durch den Urwald durchzuschlagen ist unmöglich. Das sehen Sie doch nun ein, Professor. Das da unten ist ein Land, das für immer unerforscht bleiben wird. Da kommt keiner von uns hin.«
    »Wenn man Zeit hat und zäh genug ist, Steward? Die großen Entdecker besaßen beides, und mit unseren technischen Möglichkeiten –«
    »Das Land ist stärker. Es frißt jeden auf.«
    »Man könnte mit Fallschirmen landen.«
    »Und dann?«
    »Hubschrauber würden alles überwachen.«
    »Und wo sollen sie landen? In den Baumwipfeln?«
    »Man könnte am Fluß einen kleinen Landeplatz freischlagen, eine Art Basislager. Auch das Distriktshauptquartier Kopago war einmal tiefster Urwald.«
    »Und es hat Blut genug gekostet. Giftpfeile, Speere, Fallgruben, und dann wurden Köpfe abgeschlagen und zu Schrumpfköpfen gedörrt und die Körper in steinernen Kochgruben gesotten und gefressen. Auch zwei Missionare waren dabei … Aber da muß Gott gerade geschlafen haben – er hat sie nicht vor den Kannibalen beschützt.«
    »Ich weiß. Ich habe die Geschichte aller Missionen und der Eroberung des unbekannten Landes studiert.«
    »Und trotzdem wollen Sie unbedingt in diese noch unerforschten Gebiete vordringen? Wozu?«
    »Es ist mein Beruf, Steward.«
    »Da unten gibt es weder Gold, Silber, Diamanten noch andere Bodenschätze. Kein Öl und kein Kupfer. Nur Urwald.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Warum soll es dort anders sein als in anderen Teilen des Landes?«
    »Es kann unbekannte Tiere und Menschenrassen geben.«
    »Und die entdeckt man dann, steckt sie in einen Zoo, und den Wilden bringt man die Segnungen der Zivilisation, die Bibel und den Schnaps. So war's bei den Azteken, den Mayas, den Inkas, den Australiern, den Indianern, und die Papuas werden's auch nicht überleben. Professor, lassen Sie die Kopfjäger, Menschenfresser, oder was sich da unten im Urwald versteckt, sein, was sie sind. Sie leben dort seit Tausenden von Jahren, warum wollen Sie sie in die Neuzeit katapultieren?«
    »Sie halten nicht viel von
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