Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rosskur: Ein Allgäu-Krimi

Rosskur: Ein Allgäu-Krimi

Titel: Rosskur: Ein Allgäu-Krimi
Autoren: Jürgen Seibold
Vom Netzwerk:
holländischen Matjes anpries und ihn auch direkt aus einem kleinen Eichenholzfass heraus verkaufte. Jetzt, Anfang Juni, war die Matjessaison erst gut eine Woche alt, da waren in Norddeutschland und den Niederlanden noch allerlei Matjesfeste zugange – und die Salzheringe hier wirkten nicht weniger frisch als die Exemplare, die er aus Emden und anderen niedersächsischen Städten in Küstennähe kannte.
    Also kaufte er, während ihm schon das Wasser im Mund zusammenlief, für sein ganz privates Matjesfest noch Kartoffeln, grüne Bohnen, Zwiebeln und Speck und machte sich auf den Heimweg.
    Zu Hause wusch er die Kartoffeln und legte sie in einen Topf mit etwas Wasser, schnitt die Zwiebeln klein, würfelte den Speck und putzte die Bohnen. Nachdem er die Kartoffeln aufgesetzt hatte, machte er sich ein Bier auf und ging nach draußen, um vor dem Kochen noch ein paar Pfeile auf die Zielscheibe zu schießen. Nach vier Pfeilen traf er erstmals die Zielscheibe, und er beschloss, es damit gut sein zu lassen und sein Schützenglück heute nicht allzu sehr zu strapazieren.
    Ohnehin musste er nach den Kartoffeln sehen, und außerdem warteten ja die Matjes auf ihn – was allerdings, wie er beim Betreten der Küche feststellte, nicht mehr ganz der Wahrheit entsprach. Der Teller mit den Matjesheringen war leer, und die feuchten Abdrücke von Katzenpfoten führten quer über den Tisch bis zum Hinterausgang der Küche, wo Hansen gerade noch Ignaz, den räudigen Kater seiner Vermieterin, verschwinden sah.
    Er ging zum Fenster. Draußen schlich der Kater sichtlich zufrieden ums Haus. Von der Straße her näherte sich ein heiseres »Miez, miez«, und schon stellte der Kater den Schwanz senkrecht in die Höhe und trippelte freudig auf die alte Frau zu, die ihn gerufen hatte.
    Walburga Lederer, seine Vermieterin, sah gern täglich nach dem Rechten in dem Haus, das früher einmal ihren Schwiegereltern gehört und das sie nun an Hansen vermietet hatte. Die Lederers waren seinerzeit durch den Verkauf von Bauland so wohlhabend geworden, dass sich die Witwe ein hübsches Häuschen am nördlichen Stadtrand von Füssen hatte leisten können – nicht weit vom Friedhof gelegen, wo sie mindestens einmal am Tag das Grab ihres Mannes besuchte.
    Und wenn sie dann schon mal die Jacke anhatte, schwang sie sich gerne noch auf ihr knallrot lackiertes Elektrorad und fuhr zu Hansen hinaus, um nachzusehen, ob der alleinstehende Preuße wohl auch zurechtkam.
    Walburga Lederer – sie hatte ihm schon bei ihrer ersten Begegnung angeboten, sie mit »Frau Walburga« anzusprechen, und Hansen vermutete darin eine besondere Ehre – war viel unterwegs und insbesondere, was Essensdinge betraf, stets bereit zu einem spannenden Experiment. In der gesamten Füssener Umgebung gab es inzwischen kein ausländisches Restaurant mehr, das sie nicht kannte. Ihr Mann Alfred hatte sich zu Lebzeiten auf Schweinsbraten, Wild und Haxe konzentriert, und sie holte das jahrzehntelang Versäumte nun eifrig nach.
    Eigentlich hatte er heute keine Lust auf einen launigen Plausch mit ihr, aber sie hatte wohl den Speck gerochen, der inzwischen in der Pfanne schmurgelte, und mit einem fröhlichen: »Grüß Gott! Ich stör doch nicht?« war sie auch schon durch die Hintertür in die Küche gehuscht. Den Anblick ihres Mieters, der sich extra seine »Ich liebe die Nordsee«-Schürze umgebunden hatte und gerade etwas Mehl zu dem Speck in die Pfanne schüttete, quittierte sie erst mit einem breiten Grinsen – doch dann siegte die Neugier, und sie trat neben ihn an den Herd.
    »Ah, eine Spezialität aus Ihrer Heimat? Was wird das denn?« Sie sah sich um, entdeckte die grünen Bohnen im einen, die Kartoffeln im anderen Topf. »Ich sehe, grüne Bohnen mit Speck und dazu Kartoffeln. Sehr schön, sehr schön – Gemüse ist ja so gesund. Aber mir wär das zu wenig, da fehlt doch ein rechtes Fleisch oder eine deftige Wurst.«
    »Oder Matjeshering«, brummte Hansen.
    »Stimmt, das wäre noch besser. Gerade für Sie als Nordlicht! Na ja, jetzt hat der Fischladen in der Stadt natürlich schon zu, schade eigentlich.«
    Ja, schade, dachte sich Hansen, und als er die Kartoffeln von der Herdplatte zog, sah er aus den Augenwinkeln Ignaz hereinschleichen. Hansen funkelte ihn böse an, und der Kater verzog sein Maul – er wusste ja, dass Katzen nicht lächeln können, aber dieser Gesichtsausdruck kam einem höhnischen Grinsen doch sehr nahe. Ignaz behielt zur Sicherheit den neuen Mieter im Auge und strich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher