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Maechtiger Samstag

Maechtiger Samstag

Titel: Maechtiger Samstag
Autoren: Garth Nix
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PROLOG

    S
    amstag, Erhabene Zauberin des Hauses von eigenen Gnaden, stand in ihrem privaten Aussichtszimmer auf dem höchsten Punkt ihrer Domäne: der Spitze des Turms, den sie seit fast zehntausend Jahren bauen ließ. Der lichtdurchflutete, nach allen Seiten verglaste Raum befand sich stets ganz oben, denn die Bauhandwerker hoben ihn höher und höher, während unten neue Stockwerke eingebaut wurden.
    Samstag schaute durch die verregnete Scheibe auf die Unzahl verschwommener, grüner Lichtflecke hinab. Von hier oben hatte es den Anschein, als sei der Turm, der Tausende von Metern hoch war, von Myriaden grüner Glühwürmchen befallen, doch in Wirklichkeit waren das die Lichter der Lampen mit den grünen Schirmen, die auf jedem Schreibpult im Oberen Haus standen, auf exakt derselben Stelle, so wie auch jedes Schreibpult exakt in der Mitte seines roten schmiedeeisernen Würfels stand, der mit einem Gitterboden und ohne Decke auskam.
    Diese Würfel – die grundlegenden Bausteine von Samstags Turm – liefen auf waagrechten und senkrechten Führungsschienen und konnten nach oben, nach unten oder zur Seite bewegt werden, entsprechend den Verdiensten der Bürger, die an den Schreibpulten arbeiteten.
    Jeder Würfel wurde im Bedarfsfall von Ketten an seinen Bestimmungsort gezogen, die von mächtigen Dampfmaschinen tief unter dem Turm angetrieben wurden. Die eigentliche Arbeit des Führungsschienenbaus und der Maschinenbefeuerung leisteten Bronzeautomaten und eine kleine Anzahl glückloser Bürger, die Samstag auf irgendeine Weise enttäuscht hatten. Von noch geringerem Rang als jene waren nur die Schmieraffen, das heißt die Pfeiferkinder, die die gefährliche, sich schnell bewegende Maschinerie ölten und warteten.
    Erhabene Samstag schaute auf ihre Domäne hinab, aber der Anblick ihres mächtigen Turms und der zigtausend Zauberer darin ließ ihren Puls nicht schneller schlagen. Schließlich, obgleich sie gegen den Drang, nach oben zu sehen, ankämpfte, hob sie den Blick.
    Anfangs sah sie nur Wolken, aber dann erschien ein grüner Lichtschimmer, der dunkler und geheimnisvoller leuchtete als ihre Lampen. Als die Wolken sich ein wenig auseinanderschoben, zeigte sich darüber die Smaragddecke des Oberen Hauses, die auch der Boden der Unvergleichlichen Gärten war. Samstag verzog das Gesicht, und ihre außergewöhnlich schönen Züge nahmen einen hässlichen Ausdruck an. Seit zehntausend Jahren baute sie an ihrem Turm, um die Unvergleichlichen Gärten zu erreichen und in sie einzudringen. Doch egal wie hoch sie baute, die Gärten entfernten sich, und Lord Sonntag verhöhnte sie, indem er dafür sorgte, dass sie die Einzige war, die es bemerkte. Sobald einer ihrer Bürger nach oben sah, schloss sich die Wolkendecke wieder.
    Samstag schürzte die Lippen und sah weg, doch auch die veränderte Aussicht bot ihr keinen Trost. In weiter Ferne, am Rande des Oberen Hauses, gab es einen dunklen, senkrechten Schatten, der vom Boden bis zu den Wolken reichte. Von Nahem leuchtete auch er grün, denn der Schatten war ein gewaltiger Baum, einer der vier Drasilbäume, von denen die Unvergleichlichen Gärten getragen wurden.
    Die Drasilbäume waren der Grund, weshalb Samstags Turm nie hoch genug wurde, denn die Bäume wuchsen schneller, als sie bauen konnte, und hoben den Garten beim Wachsen an.
    Sie hatte versucht, die Drasils zu zerstören oder sie verkümmern zu lassen, hatte Zauberei, Gift und rohe Gewalt eingesetzt, doch keine ihrer Maßnahmen hatte die Bäume auch nur im Mindesten beeinträchtigt. Sie hatte Gewandte Ruher und Zauberkundige Zaungäste ausgeschickt, auf die Stämme zu klettern und die Domäne Lord Sonntags zu infiltrieren, aber nie hatten sie es höher als bis zur Hälfte geschafft, dann wurden sie von den riesigen Verteidigungsinsekten besiegt, die in Gängen unter der Rinde lebten. Ein Angriff aus der Luft kam nicht in Betracht: Hoch über den Wolken breitete sich das Geäst der Drasils überallhin aus, und ihre Zweige waren bösartig, raubgierig und äußerst schnell.
    So war die Situation jahrtausendelang gewesen: Samstag baute, die Drasils wuchsen, und Sonntag verweilte mächtig und unnahbar oben in der Sicherheit der Unvergleichlichen Gärten.
    Aber mit einem Niesen auf der Oberfläche eines fernen, toten Sterns hatte sich all das geändert. Das Vermächtnis der Architektin war endlich befreit worden und hatte einen Rechtmäßigen Erben ausgewählt. Nun sammelte dieser Erbe die Schlüssel von den treubrüchigen
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