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Rosentraeume

Titel: Rosentraeume
Autoren: Virgina Henley
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    Als er sie zum allerersten Mal sah, war sie nackt. Vielleicht erklärte das seine so überwältigende sinnliche Begierde - trotzdem zweifelte er an sich selbst. Er hatte in seinem etwas über zwanzigjährigen Leben schon viele Freudenmädchen gesehen. Doch sie war die wunderschönste Jungfrau, die ihm je begegnet war. Ihre Haut hatte die Farbe von Sahne, ihre Wimpern lagen wie dunkle Halbmonde auf ihren Wangen, und auf einem ihrer hohen Wangenknochen entdeckte er ein winziges Hexenmal. Ihr blondes Haar glänzte hell wie frisch geprägte Goldmünzen, es fiel ihr über den ganzen Rücken und hüllte sie in einen rötlich-goldenen Schein.
    Er besaß keinerlei Hinweis auf ihre Herkunft, wußte nichts über sie, bis auf eines, er begehrte sie.
    Unglücklicherweise suchten ihn die immer wiederkehrenden Visionen seiner »Lady« zu den ungünstigsten Zeiten heim, wie zum Beispiel gerade jetzt. Christian Hawksblood bemühte sich mit aller Kraft, einen klaren Kopf zu behalten, dann konzentrierte er sich auf seine Lanze. Es dauerte nur einen Augenblick, und schon schlug sein Puls im gleichen Rhythmus wie der seines Schlachtrosses, sein kraftvoller Arm wurde zur Verlängerung seiner Waffe - seine wilden Augen maßen angriffslustig seinen Gegner. In einer fließenden Bewegung legte er die Lanze an, schloß sein Visier, umklammerte mit den Knien sein Pferd und schwang den Schild vor seinem Körper.
    Der Stab fiel, und während die Erdbrocken hochflogen, stellte sich Hawksblood vor, wie die Spitze seiner Lanze den Schild mit einer solchen Macht traf, daß der Feind aus dem Sattel gezwungen wurde. Bereits in der nächsten Sekunde geschah genau das, was er sich vorgestellt hatte.
    Sein Gegner blieb allerdings nicht im Staub liegen, in der nächsten Minute stand er wieder auf den Füßen, mit gezogenem Schwert, eine erstaunliche Leistung, wenn man bedachte, welch ein Hindernis seine Rüstung bedeutete. Um dieses Gegenstands willen hatte Hawksblood den Franzosen herausgefordert. Er wollte die pechschwarze Rüstung seines Gegners haben, sowie dessen geschecktes Schlachtroß.
    Im Bruchteil einer Sekunde war Hawksblood aus dem Sattel. Die Regel besagte zwar, daß er auf seinem Pferd sitzen bleiben durfte, doch das ließ sein Stolz nicht zu. Die Ehre des Rittertums stand auf dem Spiel. Er zog sein Schwert und drang mit solcher Entschlossenheit gegen den Kontrahenten vor, daß dieser in seiner ganzen Länge von einem Meter achtzig niederstürzte und bewegungslos liegenblieb.
    Eine Frau schrie auf.
    »Tot!« riefen die Zuschauer erschrocken.
    Die Knappen des französischen Kämpfers hasteten auf das Feld, und es gelang ihnen, ihren Herrn vom Turnierplatz zu tragen; sie waren dankbar, daß der Schlag des arabischen Ritters ihn nur betäubt hatte.
    Und als sich dann endlich der Staub über dem Turnierplatz gelegt hatte, saß Hawksblood in seinem Zelt in einer Wanne mit heißem Wasser und pflegte seinen Körper. Einer seiner Knappen hatte ihm die Rüstung ausgezogen, ihn gebadet und massierte jetzt die harten, festen Muskeln seiner Arme und Schultern mit Mandelöl und Weihrauch, um sie geschmeidig zu halten.
    Ali, ein Araber, der ihm schon seit seiner Geburt diente, steckte den Verschluß in die Salbölflasche und hielt seinem Herrn ein Handtuch hin. Als Drakkar sich in der Wanne aufstellte, lief das Wasser über seinen Körper, und seine dunkle Haut glänzte. Ali fand, daß der arabische Name seines Herrn viel besser zu ihm paßte als der Name Christian. In seinen Adern floß das Blut eines Sultans, er hatte pechschwarzes Haar und das dunkle Gesicht eines wilden Adlers. Nur die hellen, aquamarinblauen Augen zeugten davon, daß er kein reinrassiger Prinz war. Ali betrachtete den herrlichen Körper. Nein, ich gebe mich nur einer Illusion hin. Seine breiten Schultern und die langen Gliedmaßen machen ihn zu einem Normannen.
    Sein anderer Knappe, Paddy, war unterwegs und sammelte die Turnierpreise ein, Pferde und Rüstungen. Hawksblood und seine Getreuen besaßen herrliche Schlachtrösser; doch ausgebildete turniertaugliche Pferde waren nur schwer zu bekommen, und ein geschmeidiges Panzerhemd aus fein gehärtetem Stahl kostete genausoviel wie ein Stück Land eines Rittergutes.
    Während Paddy den Grauschimmel zu dem Pavillon führte, wurde ihm wieder einmal klar, wie sehr sich dieser von den anderen Zelten abhob. Er war aus strahlend roter und purpurner Seide, mit einem goldenen Minarett, so daß sich selbst die Umrisse unterschieden von denen
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