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Rosenpsychosen

Rosenpsychosen

Titel: Rosenpsychosen
Autoren: Anna-Maria Prinz
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ich.«
    Sie hat die Namen ausgesucht. Wo sie die wohl herhat. Internet vielleicht. Irgendwie tut sie mir fast leid in ihrer Einfalt. Gleich wird es klingeln, und dann sind die Kinder hier. Hat Moritz eigentlich seine Trompete heute mit zur Schule genommen? Ich muss Schluss machen, wird auch Zeit, diese Fensterglotzerei zu beenden. Einen guten Schlusssatz finden, damit sie nicht wiederkommt. Soll zu Hause weiter ihre Tupperware sortieren und meine Termine denen lassen, die was zu verarbeiten haben. – Heli, ganz ruhig, reiß dich zusammen und lass dich nicht von Vorurteilen leiten.
    »Auf jeden Fall ist es gut, dass Sie den Weg hierher gefunden haben. Auch wenn ich noch nicht genau weiß, was der Auslöser war. Wir werden es langsam angehen und sehen.«
    Für Marie stand es fest: Ich war heute zum letzten Mal hier. Aber das sage ich ihr nicht. Martin kann sie anrufen. Wir passen nicht zueinander. Aber wenn ich mich nun umbringe? Vielleicht ist sie mit ihrem Kartoffelsackkleid der letzte Bahnhof vor der Endstation. Ich könnte ihr sagen, dass sie sich ein bisschen hübsch machen und hohe Schuhe tragen soll, wenn ich komme. Und dass sie mich gefälligst nicht beleidigen soll, nur weil ich Kinder habe und sie nicht.
    »Na ja, also dann bis nächste Woche. Vielen Dank.«
    Der Schlusssatz war dumm, jetzt kommt sie wieder, befürchtete Helene.

3
    Marie setzt einen mutmaßlichen Perversling und Mörder
    vor die Tür, der frech vorgibt, lediglich das Klavierspiel
    bei ihr erlernen zu wollen
    »Na, Schnuckelpuppe, wie war’s?«
    »Gut. Ja, richtig gut eben.«
    »Ich habe die Katze erschossen.«
    »Sehr gut.«
    »Na, nicht heulen, komm her. War doch nur die Katze.«
    »Sie will mich nicht. Sie hasst mich, weil ich Kinder habe und sie nicht.«
    »Hat sie gesagt, dass sie keine Kinder hat und dich dafür hasst, dass du welche hast?«
    »Ja. Also … nicht direkt. Aber angedeutet hat sie es. Mehrmals.«
    »Ach ja? Hör mal, sie ist ein Profi. Nimm dir Zeit, und lass sie ihre Arbeit machen.«
    »Ich hab Hunger.«
    »Es gibt Katzenhaschee. Übrigens sitzt Herr Herzog im Wohnzimmer und wartet auf seine Klavierstunde. Danach essen wir, okay?«
    »Sie war richtig fies zu mir.«
    »Ja, glaube ich sofort. Aber jetzt klimpere erst mal eine Runde.«
    »Na gut. Bleib bloß in der Nähe! Ich habe gar keinen Hunger.«
    »Jaja, ist gut. Ich bleibe in der Nähe.«
    Ruckzuck schaltete Marie um auf Klavierschüler und strahlte.Manchmal war es ihr selbst unheimlich, wie schnell ihr das gelang. »Tach, Herrzog, Sie haben aber schönes Wetter mitgebracht!«
    »Hallöchen, störe ich?«
    Wenn es nach Herrn Herzog ging, störte er immer, sogar in seinen eigenen vier Wänden.
    »Wenn ich störe, also, dann … Ich könnte auch später oder ein andermal wiederkommen, wenn es gerade nicht passt.«
    Es war gar nicht so leicht, nicht auch noch Herrn Herzogs Restselbstbewusstsein mit einem Fingerschnipp über den Jordan gehen zu lassen. Marie hatte das Bedürfnis, diesem Mann, der so wenig von einem Mann hatte, etwas Gutes zu tun, ihn zu festigen. Aber er machte sie auch wahnsinnig mit seiner aufdringlichen Sorge, zu stören. Außerdem hatte er etwas an sich, das ihr Angst machte, etwas Nettes, Unauffälliges, etwas, das den schlimmsten Mördern offenbar zu eigen war, wenn man an das klassische Täterprofil dachte.
    »Wieso? Natürlich passt es – Sie haben doch jetzt Ihren Termin. Ich muss mich entschuldigen, weil ich zu spät bin. Aber Sie doch nicht!«
    »Ich meine ja nur, ist wirklich kein Problem für mich, später …«
    »Herr Herzog, Sie fahren doch mit dem Rad eineinhalb Stunden, um hierherzukommen. Und zurück auch wieder, oder?«
    »Ach, das macht doch nichts, ist ja schön draußen. Außerdem gehe ich hier gerne auf den Friedhof.«
    »Was? Auf den Friedhof? Einfach so spazieren?«
    »Ja, das finde ich sehr schön. Sehr schön. Meine Mutti liegt auch auf diesem Friedhof.«
    »Ach so.« Diese Pfeife, dachte Marie, geht jede Woche Mutti auf dem Friedhof besuchen. Über vierzig und keinerleiBartwuchs, aber Rasierwasser benutzen wie die Großen. Wenn er Mutti auf dem Friedhof besucht hat, fährt er bestimmt nach Hause zu seiner Natascha Kampusch, und dann bringt er ihr was Schönes zu essen in ihr Verlies und fängt an zu heulen, wenn sie sich nicht freut. Sie sah, wie er nachts in seinem Keller, nur mit einer gestreiften Schlafanzugjacke bekleidet, Bilder von ihr mit einem stumpfen Skalpell bearbeitete und danach mit Bepanthensalbe beschmierte.
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