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Rosenpsychosen

Rosenpsychosen

Titel: Rosenpsychosen
Autoren: Anna-Maria Prinz
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zueinander sein, solidarisch. Dann wäre alles viel besser. Aber nein. Immer diese Stutenbissigkeit. Ja, ich kann sagen, ich habe es versucht. Für mich ist das eben nichts. Gibt eben solche und solche Menschen. Dem einen bringt eine Psychotherapie etwas, dem anderen halt nicht. Eine reine Typfrage ist das. Und dann muss man sich ja auch noch halbwegs leiden können. Und die ist nun echt der Typ Frau, der mich mal kann. Wenn meine Freundinnen mich bei der gesehen hätten … puh. Spricht wirklich alles dagegen. Gut, dass das Thema durch ist. Herrzog – der sollte mal in eine Therapie. Obwohl … macht er ja, kommt zu mir und lässt sich quasi behandeln. Ausgerechnet zu mir!
    »Na, das klappt doch schon hervorragend. Und nun versuchen Sie, alle acht Takte in der Lautstärke zu spielen, die verlangt wird. Sie werden überrascht sein, wie gut es dann klingt.«
    ---
    »Herr Herzog, sagen Sie mir, was da steht. Was ist das für ein Zeichen?«
    »Forte!«, rief Herr Herzog, aufgeregt den Zeigefinger in die Höhe stoßend.
    »Richtig! Und jetzt geben Sie mal ordentlich Gas. Tun Sie einfach so, als würden Sie in Ihrem Hobbykeller einen Hammer schmieden.«
    »Ich muss sagen, das ist so eine Sache mit dem Lautspielen. Zu Hause kann ich das nicht. Ich will ja keinen stören. Ich habe deswegen schon mein Klavier dämpfen lassen.«
    »Üben Sie denn nachts?«
    »Nein, nein, am späten Nachmittag, aber trotzdem. Wer weiß denn schon, ob das allen Leuten gefällt.«
    Marie war hin und her gerissen zwischen Abscheu und dem aufrichtigen Wunsch, dieser in ihren Augen armen Sau ihre Ängstlichkeit und Komplexe auszutreiben. Sie wusste selbst sehr gut, wie er sich fühlte, nur war sie gegenüber Herrn Herzog entschieden im Vorteil: Sie sah besser aus, konnte Selbstbewusstsein vortäuschen und beherrschte das Instrument bereits. Am liebsten hätte sie ihn hinausgeworfen. Nichts war für sie so uninteressant, wie Anfängern den Unterschied zwischen C-Dur und a-moll nahezubringen. Allerdings ließ Herr Herzog nach dem Unterricht das auf dem Küchentisch zurück, was sie im Moment dringend brauchte: Geld.
    War es redlich, allein für Geld etwas zu tun, das man so hasste? Sie könnte Geld auch ganz anders verdienen, viel leichter eigentlich und vielleicht sogar mit viel mehr Spaß dabei. Ganz davon abgesehen, dass die Ausbeute wesentlich höher wäre. Dann würde es jedoch nicht mehr lange dauern, bis sie endgültig in der Klapsmühle landete. Marie flehte das Schicksal an, ihrem Mann einen lukrativen Auftrag zu senden, damit sie wieder für sich allein Musik machen durfte. Jetzt aber war Herr Herzog hier, und es schickte sich nicht, weiterhin auf die Tastatur zu starren.
    »Ach was. Musizieren in Wohnungen gehört zum Leben, Herr Herzog. Niemand hat etwas dagegen. Machen Sie sich frei davon. Haben Sie mit Ihren Nachbarn mal darüber gesprochen?Ist vielleicht nicht verkehrt und gibt Ihnen Sicherheit. Wenn die zum Beispiel gerade ein krankes Kind haben, das endlich schlafen soll, oder wenn sie Schicht arbeiten und tagsüber schlafen müssen, könnte man sich ja verständigen. Was für Leute wohnen denn in dem Haus?«
    Herrn Herzog war diese Frage sichtlich unangenehm. Er rutschte auf der Klavierbank hin und her und sah auf seine Uhr. »Ich habe eigentlich gar keine Nachbarn. Nur in der Wohnung schräg unter mir lebt eine alte Dame. Aber die hört praktisch gar nichts mehr.«
    Marie bekam plötzlich unendliches Mitleid. Sie hätte Herrn Herzog gern einen Zauberstab geschenkt, mit dem er sich eine neue Persönlichkeit zulegen könnte. Oder eine Tarnkappe, damit er wenigstens ab und zu sicher gehen konnte, niemanden zu stören. »Ja, und warum spielen Sie dann nicht laut?«
    »Na, ich denke immer: Vielleicht hört sie ja doch noch was oder hat gerade Besuch.«
    »Hm, das könnte natürlich sein. Gehen Sie doch auf Nummer sicher, und verkleiden Sie die Wände mit so schwarzem Dämmzeug, wie man es in Studios verwendet!« Marie wurde auf einmal wütend.
    »Hab ich schon, teilweise.«
    Das reichte. »Ach. Sagen Sie mal, Herrzog, warum tun Sie sich das hier eigentlich an? Ich meine, ich will Ihnen ja nicht zu nahe treten, aber Sie sind die größte musikalische Niete, die mir je begegnet ist. Seit drei Wochen arbeiten wir jetzt an diesen zwei Zeilen. Zwei Zeilen, ja!« Marie verfiel ins Brüllen. »Und Sie schaffen es nicht, Ihre paar Finger dazu zu bewegen, die richtigen Tasten anzuschlagen. Und wenn Sie es zufällig einmal schaffen, dann binden
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