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Rosenpsychosen

Rosenpsychosen

Titel: Rosenpsychosen
Autoren: Anna-Maria Prinz
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nunmehr in Berlin die VHMK, eine Vitaminbar für homosexuelle Männer mit Kulturinteresse, die ganz gut läuft – auch dank Marie und ihren Freundinnen, die dazu übergegangen sind, sich dort anstatt in Gärten zu treffen. Herr Herzog hat das Klavierspielen aufgegeben und verwendet sein musikalisches Talent nun ganz auf das Spiel der Nageshwaram.
    Pasi fand nichts dabei, sich mit beginnender Pubertät dem Typ Männlich-weit-über-fünfzig an den dicken Hals zu werfen. Allein ihre Mutter wurde argwöhnisch und schickte das schöne Kind zur Psychotherapie, wo es allmählich begriff, dass auch Kerle Anfang fünfzehn nicht zu jung sind. Mit dem Klavierspiel hörte sie auf, weil sie entschieden zu faul war, sich die »Pathétique« anzueignen.
    Maries beziehungsweise Pasis Anwalt, von dem hier noch kurz die Rede sein muss, verdiente sich eine goldene Nase damit, Adams Testament, in dem er seiner Tochter selbst ihren Pflichtteil vorenthalten wollte, umzubiegen. Nach vielem Hin und Her, in dessen Verlauf selbst Adams Witwe eine gewisse Sittenwidrigkeit nicht mehr abstreiten konnte, zahlte diese an Pasi freiwillig einen Betrag, der allen Beteiligten angemessen erschien. Pasi erfuhr von diesen Streitigkeiten nie etwas – nur davon, wie großzügig ihr Vater sie bedacht hatte.
    Maries Mutter heiratete einen ihr seit sechsundvierzig Jahren bekannten Mann, von dem sie behauptete, er sei immer ihre große Liebe gewesen. Marie fand dies erst etwas befremdlich, arrangierte sich jedoch mit dem Gedanken, ihr Vater sei lediglich Nummer zwei gewesen. Auch half ihr das Geständnis ihrer Mutter, zu begreifen, dass selbst Väter – und seien sie noch so gestorben – auf einer Prioritätenliste nicht immer ganz oben zu stehen hatten.
    Brütti wurde, weil er bei der Einschulungsuntersuchung weder einen Menschen malen noch auf einem Bein hüpfen wollte und außerdem trotzig kundtat, Delfine lebten im deutschen Wald, als entwicklungsverzögert eingestuft. Ein Jahr später wurde bei ihm Hochbegabung diagnostiziert, weshalb die entwicklungsverzögerte Ärztin dringend psychologische Betreuung empfahl, was dank Brüttis Oma jedoch ungehört verhallte.
    Lilies Grab umgab ein berückender Duft von frischen Kräutern, weil diese dicht an dicht darauf wuchsen. So konnte Liesel, die ihren Mann sehr vermisste, sich zumindest während der warmen Jahreszeit an ihnen gütlich tun und gemeinsam mit Lilie die herrlichsten Suppen kochen. Adams Grab hingegenwar von einem hochpreisigen Grabstellendesigner aus dem Hunsrück mit praktischen grauen Kieselsteinen bedeckt worden.
    Marie beschloss, sich auf eine Art Jakobsweg zu begeben. Da sie vor sich und dem Himmel geschworen hatte, doch noch eine akzeptable Mutter zu werden und sich von nun an mehr einzubringen, entschied sie, ihre Kinder mitzunehmen, die einer Wanderung von Flensburg nach Hof maulend zustimmten. Brütti musste nach eineinhalb Tagen wegen ungezählter Blasen an den Füßen von Martin abgeholt werden, Pasi drei Tage später. Den Rest der Wanderung bestritt Marie allein. Was ihr begegnete, war so etwas wie der Siddharta in ihr. Dachte sie da jedenfalls noch. (In Wirklichkeit war es ein Fötus.)
    Martin nutzte sein berufliches Fiasko, um das zu machen, was er eigentlich schon immer tun wollte: Er mietete sich in eine Künstlerbaracke ein und fing an zu malen. Der Erfolg blieb aus, bis Martin eines Tages zusammen mit Brütti eine Folge »Shaun das Schaf« sah, die ihm die Augen öffnete. Ab sofort klatschte Brütti für Martin die Farben auf die großformatigen Leinwände, und bald überboten sich die Mitglieder der Hautevolée, dass einem Hören und Sehen verging.
    Martin und Marie blieben ein Paar und waren stolz darauf, die einzige auch offiziell sogenannte Zweckehe zu führen. Sie konnten sie führen, weil ihr eine Tendenz zur überstandenen Liebe innewohnte. Ab und zu zog Martin aus, den ›Ring‹ zu sehen. Als Marie jedoch hochschwanger war, strichen sie »Zweck-« wieder aus ihrem Wortschatz und lebten mindestens drei Monate lang in Glück und Frieden.
    Helene hatte am Bodensee den Sex ihres Lebens und war schon fast entschlossen, bis ans Ende ihrer Tage mit Olaf Trampolin zu springen, als er sie eines Abends darum bat, sich die Beinbehaarung bitte stehen zu lassen, seine Mutter habe auch schwarze Haare an den Beinen gehabt.
    Als Helene – ein lachendes, ein weinendes Auge – mit ihren Jungs wieder zu Hause ankam, fand sie eine Karte aus Hof vor, mit der eine gewisse Marie ihr die
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