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Rosenpsychosen

Rosenpsychosen

Titel: Rosenpsychosen
Autoren: Anna-Maria Prinz
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meine, du warst auch blöd, ein Idiot manchmal.Manchmal? Phh, die ganzen letzten Jahre! Wenn ich daran denke, wie du Pasi behandelt hast … Nein, damit will ich dir jetzt nicht kommen, ich will jetzt nicht streiten, nicht wütend werden. Und ich glaube auch, dass du getan hast, wozu du in der Lage warst. Du warst emotional verkümmert, unterbewusst auf Muttersuche und leicht manipulierbar. Peng. Mehr war einfach nicht drin. Da brauchst du jetzt nicht mit den Augen zu rollen. Das war so, wie sonst hättest du dich so vereinnahmen lassen können. So was Bescheuertes – du auf Mutter- und ich auf Vatersuche. Das konnte nichts werden. Aber das wusste ich damals noch nicht, konnte also auch nicht damit umgehen. Ich weiß es erst jetzt. Und jetzt bin ich schon ganz schön alt geworden darüber. Guck nicht so, im Ernst, ich kriege langsam Falten. Gut, Fältchen, aber immerhin. Und Henryk hat sogar graue Haare bei mir gefunden.
    Du sahst übrigens klasse aus so grau meliert, als ich dich das letzte Mal sah. Als du mit Pasi nach Prag geflogen bist, weißt du? Da hattest du Chemotherapie und Bestrahlungen noch und nöcher hinter dir – und sahst trotzdem so unverschämt gut aus. Ich habe damals Fotos von euch gemacht. Mir war klar, es würde das letzte Mal sein, dass ich dich abfliegen sehe. Ein Foto beim Start, dann noch eines und noch eines, bis ihr nur noch ein kleiner Punkt am Horizont wart. Später werde ich die Fotos mal Pasi geben. Jetzt noch nicht, später. Damals auf dem Turm, als ich euch nachgesehen habe, da habe ich richtig geheult, was mir seit zehn Tagen nicht gelingt. Damals habe ich mich auch daran erinnert, wie ich dich das erste Mal habe abfliegen sehen. Du hattest mich in Berlin besucht, und nach unserem Wochenende war klar: Wir sind’s. Mit der Aerostar warst du da, nicht ganz leicht zu fliegen, aber für dich kein Problem. Und zum Abschied, als du gerade gestartet warst, hast du mit den Flächen gewinkt. Dieser Anblick, dieses Hochgefühl, diese Extraportion Glückwerden immer meine erste Erinnerung an dich bleiben, ich schwör’s dir.
    Jaja, ich weiß, dass du das alles weißt und nicht mehr hören willst, aber du hörst jetzt zu, du gehst jetzt nicht ins Nebenzimmer, du hörst dir jetzt an, was wichtig war. Vielleicht begreifst du dann, dass es wichtig war – und nicht, dass ich dich verlassen habe. Ich sag es noch mal: Diese erste Erinnerung, die ist wichtig, und die hast du auch, kannst du ruhig zugeben. Dann hast du, hat gar nicht lang gedauert, meine Mutter kennengelernt. Mir sagtest du danach, man müsse sich die Mutter genau ansehen, dann wisse man, ob man die Tochter heiraten kann. Es war also ein ganz schön großes Kompliment, als du feststelltest, eine Ehe mit mir – deine erste, so spät, nach etlichen Freundinnen! – komme absolut infrage. Ist es nicht erschütternd, was aus so viel Vertrauen und Glückseligkeit wird, wenn man nicht aufpasst? Dass sich beide Beteiligten nach kurzer Zeit wie entwertete Fahrscheine fühlen, ungültig gemacht, nicht mehr zu gebrauchen, das wirft doch eine Menge Fragen auf. Meinst du, wir hätten, wenn wir uns jetzt erst kennengelernt hätten, miteinander wie Erwachsene umgehen können? Ehrlich, mit Respekt voreinander? Die Vorstellung, dass es heute geklappt hätte, der Zug aber nun abgefahren ist, bringt mich schier um den Verstand, weißt du.
    Das hübsche Kind, das du damals kennengelernt hast und als das ich dich verlassen habe, bin ich ja längst nicht mehr. Ich bin heute eher in der Lage, mal zu reden, mich um mich selbst zu kümmern und nicht von einem anderen zu erwarten, dass er mich pausenlos beschützt. Glaube ich jedenfalls. Na, zumindest bin ich auf dem Weg dorthin. Ach, komm, spar dir deinen Kommentar … Und ich bin auch eher in der Lage, jemandem zuzuhören, auf ihn einzugehen. Also, wie gesagt, auf jeden Fall bemühe ich mich. Und du – wärst duheute auch mal in der Lage, ein paar Antennen auszufahren, anstatt drei Tage am Stück zu schmollen, wenn ich lieber spazieren gehen wollte als zu bumsen? Jetzt schaust du mich wieder mit deinem glasigen Rehaugenblick an und fühlst dich ungerecht behandelt, jaja. Na, vielleicht mache ich mir gerade doch was vor. Aber schön ist die Vorstellung halt. Gib zu, wie schön sie ist: Wir beide ganz wie früher, aber zusätzlich mit unserem jetzigen Verstand ausgestattet. Abgefahren, hm? Nur liegst du jetzt da unten im Kalten, was ich nicht begreife, und somit wird es bei der Vorstellung bleiben.
    Ich
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