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Rosenpsychosen

Rosenpsychosen

Titel: Rosenpsychosen
Autoren: Anna-Maria Prinz
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glaube, ich fange doch noch an zu heulen. Konsequent wäre es, denn ich glaube, ich bin todtraurig über deinen Tod. Ich will dich so gerne retten aus dieser Kiste, in die man dich gelegt hat, aber das vermag ich nicht. Ich stelle mir manchmal dein Gesicht vor, als du erfuhrst, warum du plötzlich so gelb warst. Du dachtest, mal eben mit einer Gelbsucht ins Krankenhaus zu gehen. Und dann das. Du kanntest die Prognose, zwei deiner Freunde, na, sagen wir, Geschäftspartner, hatten noch drei Monate ab Diagnose gehabt. Drei Monate. Oder waren’s vier? Was wird dir durch den Kopf gegangen sein? Kam Pasi auch mal vor? Wenn du wüsstest, wie sie dich liebt und an dir hängt. Ach, weißt du, sie wird ihr Leben lang an dir hängen wie eine Klette. Jetzt erst recht.
    Sag mal, das musst du mir aber schon erklären: Wie um alles in der Welt hast du ihr eigentlich so eine Jauche einpflanzen können? Von wegen, einzig und allein ihre Mutter sei schuld an deiner Krankheit. Mann, Adam! Das war wirklich idiotisch. Hat dir das diese Frau eingeredet? Antworte doch mal! Brauchtest du in deiner Hoffnungslosigkeit einen Schuldigen? Das könnte ich verstehen, man hört ja oft von Krebspatienten, dass sie krampfhaft nach Ursachen forschen. Bei dir hätte die familiäre Disposition als Ursache mehr als ausreichen können, aber nein, ich war dir ausirgendeinem Grund lieber. Du warst verletzt, immer noch. Und dann haben sich die Eifersucht und spießige Machtgeilheit dieser Frau deine Verletztheit zur Verbündeten gemacht. Gut, das ist nicht mehr zu ändern. Ich bin dir eigentlich nicht gram deswegen. Klar, enttäuscht schon. Auch darüber, dass du nicht begriffen hast, warum deine neue Frau so aggressiv ist – nicht aus Liebe zu dir, Adam, sondern als Ausdruck ihrer Unterlegenheit. Die hat sie – denn so blöd ist sie nicht – erkannt. Warum wohl sonst hat sie so vehement alles untergraben, was ihr hätte gefährlich werden können? Ja, sie wusste es: Wenn deine Freunde bei dir geblieben wären und du ein anständiges Verhältnis zu Tochter und sogar Exfrau gepflegt hättest, dann hätte sie bald gehen müssen. Sie hat es erkannt, du nicht. Aber wer kann schon von sich sagen, nicht auf alles scheinbar Fassbare anzuspringen, wenn man den nahen Tod vor Augen hat? Ich will mich dazu nicht aufschwingen, aber enttäuschend war es trotzdem. Also nein, damit kannst du mich nicht wütend machen. Aber dass du zugelassen hast, dass Pasi diese seltsame Version von Schuld aufgetischt bekommt. Dass du deinen ganzen Hass auch auf sie projiziert hast, die nun wirklich unschuldig ist und alles für dich getan hätte … Na, ich wollte dir ja damit heute nicht kommen. Ich hör schon auf.
    Aber dein sogenannter Hass, der treibt mich schon um. Wenn du älter geworden wärst, irgendwann vielleicht weise, mit achtzig oder neunzig – hättest du dann immer noch von Hass gesprochen? Das frage ich mich. Oder hättest du dann eingesehen, dass es natürlich kein Hass war, sondern genau das Gegenteil. Du warst einfach stinksauer und verletzt, und dir hat nie jemand beigebracht, wie man damit umgeht. Mann, hast du mich miesgemacht! Aber lass mal, ich dich auch – da nehmen wir uns nichts. Nur gegenüber Pasi habe ich nie ein schlechtes Wort über dich fallen lassen.Und das werde ich auch niemals. Du sollst der Gute bleiben. Das Leben wird es sie schon lehren – hat meine Oma immer gesagt. Und das wird es. Irgendwann wird sie verstehen, dass jemand nicht böse ist, weil er sich zum Geburtstag oder zu Weihnachten nicht meldet, dass die Ursachen dafür viel komplexer sind. Und bis es so weit ist, werde ich dein Andenken nicht mit Schmutz bewerfen. Zumal ich sowieso keine schlechten Worte mehr für dich finde, sosehr ich mich manchmal auch bemühe. Es gelingt mir einfach nicht mehr, wütend auf dich zu sein und dich als erwachsenen Mann in die Pflicht zu nehmen. Spätestens seit dieser Diagnose sehe ich dir alles nach. Ach, eigentlich habe ich das schon viel früher getan, so aus schlechtem Gewissen, weißt du, was ja auch blödsinnig ist und einen nicht weiterbringt.
    Willst du wissen, wo ich seit einiger Zeit einmal wöchentlich ganz diszipliniert hingehe? Zur … nein, das sage ich dir nicht, ätsch. Obwohl es durchaus mit dir und mir zu tun hat. Ich habe nämlich genauso intensiv an dir zu nagen gehabt wie du an mir, anders halt, aber nicht weniger. Es ist nämlich nicht einfacher, der Verlasser zu sein als der Verlassene, was Verlassene und ihre Freunde
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