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Rico, Oskar und das Herzgebreche

Rico, Oskar und das Herzgebreche

Titel: Rico, Oskar und das Herzgebreche
Autoren: Andreas Steinhöfel
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was für ein gerissener Kerl! Wäre er nur etwas gerissener gewesen, hätte ihn die Polizei nicht erwischt, aber manchmal hat man eben Pech, und RUMMS, fällt hinter dem Mörder die Gittertür im Knast zu oder er entzieht sich der Gerechtigkeit durch feigen Selbstmord oder er wird zum Tode verurteilt und dergleichen. Sellawie.
    SELLAWIE : Ist französisch und heißt  So ist das Leben. Das weiß ich von Jule, die mal mit einem Franzosen rumgeknutscht hat. Vor dem Franzosen war’s ein Australier und vor dem Australier ein Panflötenspieler unbekannten Ursprungs. Wenn Tiefbegabtheit eine Nationalität wäre, hätte ich also womöglich bei Jule eine Chance. Ist sie aber nicht. Sellawie.
    In meinem Tagebuchfilm könnte der Zuschauer sich gerade in diesem Moment fragen, wohin ich eigentlich auf dem Motorrad unterwegs bin. Was ist das für eine geheimnisvolleVerabredung, die der Wehmeyer vorhin erwähnte? Und warum freue ich mich nicht auf diese Verabredung, sondern schaue stattdessen nachdenklich und traurig drein?
    Jetzt fängt das Bild an zu wabern und es ertönt seltsame schrummelige Musik. Deshalb weiß der Zuschauer sofort: Ah, jetzt kommt eine Rückblende! Und tatsächlich, schwups: Plötzlich liege ich auf einem schneeweißen Bett im Urban-Krankenhaus, in einem schicken Einzelzimmer mit Schrägblick über den Landwehrkanal. Mein Kopf ist bandagiert, weil ich eine massige Gehirnerschütterung habe. Neben mir sitzt Mama auf dem Bettrand. Sie wirkt erschöpft und voller Bekümmernis.
    Auf der anderen Seite vom Bett steht ein Nachttisch. In der untersten Schublade steckt ein Schreibheft, in dem ich vor drei Tagen mein Ferientagebuch zu Ende geführt habe. Obendrauf befinden sich Blumen und Geschenke: ein Strauß Sonnenblumen von Irina und eine große Schachtel Marzipanpralinen von Frau Dahling; außerdem drei Packungen Schokolade mit abgelaufenem Verfallsdatum vom Mommsen und ein Tierlexikon von Berts, ein Paar Handschellen aus Plastik mit Schlüssel vom Bühl und – das ist der Hammer – ein grauer, schwerer Stein, nahezu rund und größer als meine Faust. Den hat auch der Bühl angeschleppt, bevor er in seinen Erholungssonderurlaub verschwand.
    Diesen Stein hat der alte Fitzke in jener Nacht aus seinem Fenster im Dritten runter in den Hinterhof geworfen, als dort Mister 2000 gerade hinter Oskar und mir her war, um unsplattzumachen. Es war keine Absicht gewesen, sondern reiner Zufall, doch warum Fitzke mitten in der Nacht so einen Wacker durch die Gegend geworfen hatte, war bis heute ein unaufgeklärtes Geheimnis. Noch geheimnisvoller war, dass Fitzke jede Menge weitere Steine in seiner Wohnung aufbewahrte – Hunderte hatte die Polizei entdeckt, als sie ihn noch in derselben Nacht vernahm. Und Fitzke hatte gesagt, er dürfte ja wohl so viele Steine in seiner Wohnung lagern, wie er will, und jetzt mal hübsch raus hier, bevor ich die Polizei rufe!
    So einer ist das.
    Jedenfalls hatte Mister 2000 Fitzkes dicken Wacker voll auf die Ömme gekriegt. Er war bewusstlos aus den Latschen gekippt, und seitdem war der Teufel los. Alle möglichen Zeitungen und Fernsehsender wollten Oskar und mich interviewen, weil wir den berüchtigten ALDI-Kidnapper überführt hatten. Wir waren Helden, schließlich kommt es nicht so oft vor, dass Kinder einen Gangster einfangen. Ich fand die Vorstellung todschick, im Fernsehen aufzutreten, zum Beispiel in der Talkshow von diesem netten Herrn, der fast genau solche Backen hat wie ein Feldhamster, nur in kleiner.
    Â»Kann natürlich sein, dass er da Fragen stellt, die kein Mensch beantworten kann«, plapperte ich. »Genau wie in seiner anderen Show.«
    Â»Was für eine andere Show?«, sagte Mama abwesend. Sie war vor zwei Tagen wiedergekommen von der Beerdigung ihres frisch gestorbenen Bruders, aber sie trug jetzt wiederbunte Sachen. Für Schwarz reichte ihre Trauer nicht aus, denn früher hatte sie sich mit Onkel Christian, wenn er uns überhaupt mal besuchte, immer nur gestritten und angebrüllt.
    Â»Die Mil-lio-närs-show«, sagte ich langsam und deutlich. »Die ich manchmal mit Frau Dahling gucke.«
    Frau Dahling ist immer richtig gut beim Beantworten der Fragen, sie macht meistens erst bei 64000 Euro schlapp. Ich bin schon zwei Mal bis hundert Euro gekommen, aber die Fragen sind auch echt schwer, zum Beispiel: Was reicht ins Meer hinein? Ist
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